Mein Lieblings-FPS: No One Lives Forever

Denkt man an First-Person-Shooter, so denkt man an glatzköpfige Space Marines in futuristischen Kampfanzügen, grau-braune Texturen, fremde Planeten und Raumstationen oder alternativ an Kriegsschauplätze des 20. Jahrhunderts. Woran man höchstwahrscheinlich nicht denkt, sind bunte Farben, schrullige Charaktere, originelle Ideen, Humor, Charme und Wortwitz. Monoliths The Operative: No One Lives Forever jedoch ist ein FPS mit genau diesen Eigenschaften.

Im Jahr 2000 für den PC erschienen erntete es Höchstwertungen von allen Seiten, wurde als das beste FPS seit Half-Life bezeichet und sicherte sich seinen Platz im Genre-Pantheon – so schien es; in Wirklichkeit ist No One Lives Forever heute größtenteils in Vergessenheit geraten – ein Geheimtipp oder Kultklassiker, wenn man so will, von Kennern geschätzt, aber nicht im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Vielleicht hat der verhunzte PS2-Port (ohne Quicksave-Funktion!) den Ruf des Spiel ruiniert.

Aber zum Spiel selbst: Es handelt sich um eine knallbunte James Bond-Parodie im Stil von Austin Powers oder der Casino Royale-Verfilmung von 1967, mit unverkennbaren Einflüssen auch von Modesty Blaise und Mit Schirm, Charme und Melone. Das Szenario sind die Swinging Sixties, und der Spieler übernimmt die Rolle der Geheimagentin Cate Archer, die früher eine professionelle Diebin war, nun aber auf die Seite des Gesetzes gewechselt ist und für die Organisation UNITY arbeitet. Als einzige Frau in UNITY muss sie sich den Respekt ihrer Vorgesetzten hart erkämpfen, und bekommt Gelegenheit dazu, als eine terroristische Organisation namens H.A.R.M. sich als ernsthafte Bedrohung herausstellt. Unter anderem ist in Anführer Dimitri Volkov für den Mord an Cates Freund und Mentor Bruno Lawrie verantwortlich (der wohl nicht zufällig stark an Sean Connery erinnert).

Eines der Hauptziele der Entwickler war es, die Fähigkeiten ihrer hauseigenen Lithtech-Engine zur Schau zu stellen, und das Ergebnis ist eines der abwechslungs- und einfallsreichsten Spiele aller Zeiten: Man rettet Touristen in Marokko, rast mit einem Schneemobil durch die Alpen, nimmt an einer Schießerei in einem schicken Nachtclub teil, kämpft im freien Fall aus einem Flugzeug um einen Fallschirm, duelliert sich mit einer wildgewordenen Opernsängerin, schleicht durch feindliche Basen, führt Verhöre durch, befreit Wissenschaftler, wird unter Wasser von Haien gejagt, fliegt mit einer Rakete auf eine Weltraumstation und kämpft in der Schwerelosigkeit… Mit dem, was in No One Lives Forever steckt, hätte man locker fünf Spiele dieser Art füllen können. Es macht einfach Riesenspaß, und an jeder Ecke erwarten den Spieler witzige Details, wie wenn etwa ein Händler in Marokko wiederholt versucht, einem HARM-Agenten einen Affen zu verkaufen („I said I don’t want a monkey!“ – „Why not?“ – „BECAUSE I DON’T LIKE MONKEYS!“).

Obendrein verfügt Cate Archer nicht nur über ein gewaltiges Arsenal an Shooter-typischen Waffen, sondern auch über eine Vielzahl an Gadgets: vom explodierenden Lippenstift über eine Sonnenbrille mit eingebauter Fotokamera bis hin zum Roboterpudel, der Wachhunde besänftigt.

Im Jahr 2002 veröffentlichte Monolith einen Nachfolger, No One Lives Forever 2: A Spy in H.A.R.M.’s Way – ebenfalls ein sehr gutes Spiel, das dem Gameplay interessante und motivierende Rollenspielelemente hinzufügte, aber doch kein Vergleich zum ersten Teil war, was Story, Humor, Charaktere und Einfallsreichtum betrifft. Dieser bleibt, zusammen vielleicht noch mit Bioshock, mein liebster First-Person-Shooter aller Zeiten.