This Week in Retro

Heute gibt es wieder ein paar handgepickte interessante Retro-News und Links.

  • Jordan Mechners legendäres Adventure The Last Express von 1997 ist nach Jahren wieder kommerziell erhältlich, und zwar als Download auf DotEmu. DotEmu scheint Good Old Games vom Konzept her sehr ähnlich zu sein: Alte PC-Spiele zu niedrigen Preisen, ohne DRM, kompatibel mit aktuellen Betriebssystemen und mit netten Extras (in diesem Fall Soundtrack, Making-Of-Video und Walkthrough).
  • Wadjet Eye Games hat die Veröffentlichung des in schönster Retro-Ästhetik gehaltenen Adventures Gemini Rue von Joshua Nuernberger für den 24. Februar angekündigt. Der Trailer weckt Assoziationen mit Titeln wie Beneath a Steel Sky, Blade Runner und Snatcher. Ich bin überzeugt, dass das ein Qualitätsspiel wird, wenn Wadjet Eye beteiligt ist, sei es auch nur als Publisher.
  • Der beste Retro-Videospiel-Podcast aller Zeiten, Retronauts, ist für eine Spezialepisode aus seinem Grab zurückgekehrt. Jeremy Parish, Chris Kohler, Frank Cifaldi und Scott Sharkey blicken, in einem ihrer gewohnten ungewöhnlichen Jahresrückblicke, in Fünfjahresschritten auf die Videospielgeschichte von 1951 bis 1996 zurück. Es ist informativ, interessant und unterhaltsam – kurz gesagt Retronauts, wie es leibt und lebt. Und wenn alles gutgeht, gibt es im Zuge des Retronauts-Panels auf der PAX East im März eine weitere neue Episode, die sich mit der 16-bit-Ära beschäftigen wird.
  • Wer sich mehr für die PC- als für die Konsolenseite interessiert, der sollte sich die neueste Episode von Matt Bartons YouTube-Show Matt Chat nicht entgehen lassen, in der Barton Interplay-Gründer Brian Fargo interviewt und unter anderem über The Bard’s Tale und Wizardry plaudert.

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Empfehlung der Woche: Chrontendo/Chronsega

Letzte Woche habe ich noch das Ende von Retronauts beklagt, dem besten Podcast zum Thema Videospielgeschichte. Inzwischen ist Retronauts bereits wiederauferstanden – unter gleichem Namen und mit größtenteils demselben Personal, aber statt als Podcast als Serie kurzer Videoclips.

Und wenn ich ehrlich sein soll, die fünf Clips, aus denen sich die erste Folge zusammensetzt, verspricht nichts Gutes. Aus 90-minütigen Fachdiskussionen sind kurze, schnell geschnittene Happen mit flashy Effekten und Ein-Satz-Statements der Beteiligten geworden, die sehr oberflächlich bleiben und offensichtlich für ein deutlich jüngeres und weniger informiertes Publikum gedacht sind. Das Ganze bietet nicht viel mehr als eines der Retrospektiven-Videos auf dem Nintendo Channel der Wii, und die Aufteilung der Folgen in ein- bis zweiminütige Clips alle zwei Tage legt den Verdacht nahe, dass man die Werbeeinnahmen in die Höhe treiben will.

Vielleicht entwickelt sich das Ganze ja noch – das Feedback scheint allgemein nicht besonders positiv. Ich bin nur etwas überrascht vom neuen Format, weil sich Retronauts-Erfinder Jeremy Parish eigentlich stets gegen den Trend der Videospielpresse ausgesprochen hat, Themen schnell, reißerisch, oberflächlich und momentorientiert abzuhandeln.

Was ich anbieten kann, ist nicht unbedingt eine Alternative, aber ein sehr krasses Gegenbeispiel: die sehr empfehlenswerte Videoserie Chrontendo.

Wie der Name schon andeutet, besteht das Grundkonzept darin, jedes einzelne Spiel auf dem Nintendo Entertainment System in chronologischer Reihenfolge vorzustellen. Dies geschieht in etwa einstündigen Folgen alle paar Wochen und ist dank vorbildlicher Recherchearbeit höchst informativ und interessant. Daneben gibt es noch einen Blog zur Serie, der weitere Informationen liefert.

Als ich zum ersten Mal auf Chrontendo stieß, dachte ich mir in bester Fanboy-Manier „Mann, wie großartig wäre es, wenn es genauso etwas für das Sega Master System geben würde“. Und siehe da: Tatsächlich arbeitet der Chrontendo-Erfinder zeitgleich an einem Spin-Off-Projekt: Chronsega. Und das ist, jawohl, das Gleiche wie Chrontendo, nur für das Sega Master System. Allerdings ist Chrontendo immer noch der Hauptfokus: Mittlerweile gibt es 32 Folgen (von Chronsega sind es fünf).

Sämtliche Episoden finden sich auf auf archive.org. Wer also nicht weiß, was er mit den nächsten 37 Stunden anfangen soll: Viel Spaß!

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R.I.P. Retronauts

1UP-Redakteur Jeremy Parish verlautbarte diese Woche eine traurige Meldung: Eine allerletzte Episode wird es noch geben, dann wird Retronauts – der mit Abstand beste Podcast zum Thema Retrogaming – nach 99 Folgen eingestellt. Retronauts-Inhalte sollen auf 1UP weiterhin vertreten sein, so z.B. in Form des schon länger geführten Retronauts-Blogs oder – wie angedeutet wurde – in Video-Form (gab es auch schon hin und wieder, nannte sich Retronauts: Bonus Stage), aber mit dem Podcast ist es vorbei. Was wahrscheinlich sowieso nur eine Frage der Zeit war, denn Parish hatte immer wieder bekannt, dass er sich in der Rolle eines Podcast-Moderators nicht besonders wohlfühle, und Versuche die Moderation abzugeben waren immer wieder gescheitert. Aber hey, beachtliche 99 (bzw. zum jetztigen Zeitpunkt 98) Folgen Retronauts existieren und werden immer existieren, und das Schöne an einem Podcast zu einem historischen anstatt zu einem aktualitätsgebundenen Thema ist, dass er relativ zeitlos bleibt.

Was genau Retronauts so gut gemacht hat, habe ich schon einmal erklärt: Profis, die wissen wovon sie reden, diskutieren ausführlich und intelligent über alte Videospiele. Die Besetzung wechselte ständig, zur „Kerntruppe“ zählten aber auf jeden Fall Parish, Scott Sharkey, Chris Kohler, Ray Barnholt und Shane Bettenhausen (früher) / Frank Cifaldi (heute). Die Themenauswahl war recht konsolen- bzw. Nintendo-lastig, aber das war nun einmal das Spezialgebiet des Moderators. Mario, Zelda, Castlevania, Mega Man, Ninja Gaiden, Chrono Trigger, Dragon Quest, der Game Boy – aber trotzdem auch jede Menge anderes wie der C64, das Master System, der Saturn, das Neo Geo, die amerikanische Arcade-Geschichte, First-Person-RPGs, Emulation, Space Invaders, Phantasy Star, Diablo, Myst, Fallout, Bioware und so weiter und so fort.

Am unterhaltsamsten und spaßigsten fand ich immer die Folge über den Maskottchen-Boom in der 16-bit-Ära (Episode 14) – ein gutes Beispiel für die gute Chemie des „Retro-Dream-Teams“ Parish, Sharkey, Kohler, Barnholt. Wenn es hingegen um den reinen Informationsgehalt geht, ist z.B. die Famicom-Episode (48) eines der definitiven Highlights. Auch zu empfehlen: die „A Brief History of Video Game Music“-Episode (9), allgemein ein Fan-Favorit.

Wer den Podcast überhaupt nicht kennt: Die neueste Episode, Nummer 98, ist ein fantastischer Einstieg. Das Thema ist das 25-jährige Jubiläum des NES, ein Retronauts-Spezialgebiet, und die ganze erste Hälfte wurde im Rahmen eines Panels auf der Penny Arcade Expo aufgenommen, also mit Publikum. Das Ergebnis ist witzig, enthusiastisch und kompetent – kurz gesagt: typisch Retronauts.

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Retro zum Hören

Seit jeher höre ich mir zum Einschlafen gern mit dem Kopfhörer Dinge an: als Kind Hörspielkassetten, später Kabarett-CDs und heute sind es meistens Podcasts. Und Podcasts höre ich im Wesentlichen zu zwei Themen: Filme und Retro-Videospiele. Heute möchte ich einmal über meine beiden Lieblingsshows der letzteren Gruppe sprechen (beide englischsprachig).

Der beste mir bekannte Podcast zum Thema Retro-Videospiele im Internet ist ganz klar Retronauts auf 1up.com unter der Leitung von Jeremy Parish. Hier diskutieren Profis in wechselnder Besetzung (Journalisten, Leute aus der Spieleindustrie) auf hohem Niveau und zumeist sehr ausführlich seit ca. drei Jahren und 78 Episoden über alle möglichen Retro-Themen, in der Regel mit aktuellem Bezug. So spricht Parish etwa in der jüngsten Episode mit Konami-Mitarbeitern über Rocket Knight Adventures, Contra und Silent Hill und deren Remakes und Revivals.

Die Schwächen und Nachteile von Retronauts halten sich in Grenzen und sind nicht tragisch: Die Episoden erscheinen häufig in höchst unregelmäßigen Abständen, die Themen sind stark konsolenlastig (obwohl es durchaus auch Episoden etwa über den C64, Doom oder Fallout gibt) und in bestimmten Konstellationen kann es hin und wieder vorkommen, dass mehrere Leute in ihrer Leidenschaftlichkeit zugleich und durcheinander reden.

Meine Lieblingsfolge? Vielleicht diejenige über die Maskottchen-Plage Anfang der Neunziger. Kann ich mir einfach immer wieder anhören.

Der zweite „große“ Retro-Videospiel-Podcast für mich ist RetroforceGO! von Destructoid.com (ältere Folgen gibt es als Torrent oder hier), den ich allerdings inzwischen nur noch selten höre. Ob er tatsächlich schlechter geworden ist oder ich ihm einfach „entwachsen“ bin, kann ich nicht sagen. RetroforceGO! unterscheidet sich fundamental von Retronauts. Hier geht es nicht um fachliche Expertise und informative Diskussionen, sondern schlicht um Spaß, Nostalgie, Freundschaft und Liebe zu Videospielen. Die Hosts sind markante, liebenswerte und extrem enthusiastische Persönlichkeiten (da wird schon mal minutenlang gekreischt, geschrien und gequietscht, wenn Mega Man 9 erscheint), es gibt haufenweise Running-Gags und politisch unkorrekten Humor, und im Mittelpunkt steht weniger Fachwissen als persönliche Erfahrungen und Erinnerungen (daraus ergibt sich übrigens abermals eine starke Konsolenlastigkeit).

Episoden erscheinen wöchentlich (mit längeren Sommerpausen, wie auch momentan) und es gibt mittlerweile genau 100 Stück davon. Ich würde behaupten, dass das sich das Goldene Zeitalter der Show in den ersten 30 bis 50 Episoden abspielt und danach der berühmte Shark gejumpt wurde. Zum einen verließ der Haupt-Host Dyson den Podcast, stattdessen holte man die Freundin einen anderen Hosts an Bord, die in 95% der Fälle nichts außer Zwischenbemerkungen der Sorte „Yeah, that’s amazing“ beizutragen hat (inzwischen ist Dyson allerdings wieder zurückgekehrt); zum anderen gibt es nun einmal eine beschränkte Halbwertszeit für eine Show, die sich aus den persönlichen nostalgischen Erinnerungen ihrer Hosts speist.

In seiner besten Zeit jedoch war RetroforceGO! für mich ein Höhepunkt der Woche (und verantwortlich für eine ganze Menge gelachter Tränen).

Tja, das sind sie, meine beiden Lieblingspodcasts zum Thema. Vielleicht schreibe ich an der Stelle noch einmal über deutschsprachige Alternativen, auch wenn diese eher dünn gesät sind. Auf jeden Fall beneide ich jeden Retro-Videospiel-Fan, der die beiden genannten Shows neu für sich entdeckt.

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