Ich sage es ganz offen: Ich bin ein Master System-Fanboy. Segas 8-Bit-Konsole war neben dem Atari ST mein erster Kontakt mit der Welt der Videospiele und hat bis heute einen festen Platz in meinem Gamer-Herzen. Doch auch ganz objektiv muss ich immer wieder feststellen, dass das Master System im Rückblick sträflich unterschätzt wird. Vor allem in den US-amerikanischen Medien ist es nicht viel mehr eine Fußnote zum alles überragenden Nintendo Entertainment System. Das entspricht zwar durchaus der damaligen Marktrealität – zumindest in den USA -, führt aber langfristig gesehen zu einem etwas einseitigen Kanon, der sich eher aus nostalgisch verklärten Kindheitserinnerungen nährt, als aus tatsächlicher Klasse. Ich bezweifle zumindest, dass hochverehrte Ikonen wie Kid Icarus, Duck Hunt, Castlevania II oder Milon’s Secret Castle tatsächlich bessere Spiele sind als von den meisten Leuten vergessene Master System-Perlen wie Zillion, The Ninja, Fantasy Zone II oder Land of Illusion.
Aber wie schon angesprochen, das hat natürlich erklärbare Gründe. Zum einen wäre da die Tatsache, dass die Spielejournalisten von heute die Kinder und Jugendlichen von damals waren, und in den USA – wo der tonangebende Spielejournalismus der westlichen Welt herkommt – hatte kaum ein Kind in den Achtzigern ein Master System daheim, und wenn, dann war es eher ein trauriger Außenseiter. Das NES war, was man haben musste, am besten gleich zusammen mit einem „Nintendo Power“-Abonnement. Sega begann erst mit dem Genesis (aka Mega Drive) eine wirkliche Rolle im Heimkonsolenmarkt zu spielen. In Japan verhielt es sich ähnlich – das Nintendo Famicom war einfach zu erfolgreich um andere 8-Bit-Konsolen neben sich zuzulassen.
In Europa war das Master System deutlich beliebter, aber das Zentrum seiner Popularität war Brasilien. Dort gab neben exklusiven Versionen der Konsole (wie dem pinkfarbenen „Master System Girl“) auch spezielle Versionen von Spielen in portugiesischer Sprache und mit brasilianische Cartoon-Figuren statt der üblichen Helden. Das bekanntestes Beispiel ist wohl Mônica no Castelo do Dragão – im Grunde ein ROM-Hack von Wonder Boy in Monster Land, in der die Sprites von Wonder Boy und Co. durch Figuren aus dem brasilianischen Comic-Franchise Turma da Mônica ersetzt wurden. In Brasilien werden immer noch neue Versionen des Master Systems auf den Markt gebracht, erst zuletzt erschien etwa das Master System 3, mit 131 eingebauten Spielen.
Wer nicht in Brasilien lebt, aber trotzdem einmal gerne in das relativ unerforschte Land der Master System-Spiele vordringen würde, hat verschiedene Möglichkeiten. Zum einen gibt es hervorragende Emulatoren sowohl für PC als auch für Nintendo DS, und seit einiger Zeit werden Master System-Spiele auch auf der Wii Virtual Console angeboten – auch wenn die Auswahl noch nicht grandios ist. Ansonsten gibt es natürlich immer noch eBay. Vor allem das redesignte Master System II ist relativ leicht zu finden. Eine besonders praktische Lösung ist der Master System Converter für das Mega Drive, der dieses komplett rückwärtskompatibel mit allen Master System-Spielen macht.
Was empfehlenswerte Software betrifft sei für den Einstieg – neben den oben bereits genannten Titeln – verwiesen auf die Wonderboy-Reihe (vor allem das hervorragende Metroidvania Wonderboy III: The Dragon’s Trap), das bahnbrechende RPG Phantasy Star, die Arcade-Ports von Shinobi, R-Type, Bubble Bobble und Out Run, die Sega-Version von Ninja Gaiden und natürlich die Sonic-Spiele, die vielleicht nicht den Geschwindigkeitsrausch ihrer Mega Drive-Geschwister bieten, jedoch nichtsdestotrotz tolle Jump-and-Runs sind. Aber zum Thema Master System-Perlen werde ich mich an der Stelle gewiss noch das ein oder andere Mal zurückmelden.
[Andreas Dobersberger]
1 thought on “Das Sega Master System – Auf ewig im Schatten des NES?”
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