Wir befinden uns in schnelllebigen, konsumorientierten Zeiten, gerade was Videospiele betrifft. Die meisten Leute hätten wohl kein Problem damit, wenn ich hier die Enden von Bioshock und Portal spoile, immerhin sind diese Spiele fast ZWEI JAHRE alt, und wenn einem deren Stories so wichtig sind, warum hat man sie denn dann nicht gleich am Erscheinungstag gekauft?
Auf die Idee, dass der Wert eines Kunstwerks, und sei es nur ein Unterhaltungsprodukt, vollkommen unabhängig ist von der Tatsache ob es heute, vor zwei Jahren oder vor zwanzig Jahren geschaffen wurde, kommen diese Leute auch gerade angesichts der rasanten technischen Entwicklung im Videospielsektor erst gar nicht. Sie haben die kommerzielle Perspektive des Publishers übernommen, dessen Ziel vorrangig hohe Verkaufszahlen in den ersten paar Wochen sind. Dass das Spiel in zehn, zwanzig Jahren noch gespielt wird, ist dem Publisher in dieser Hinsicht völlig egal, ja, es ist sogar unerwünscht, man blicke hierzu etwa auf die Praxis, über DRM die maximale Anzahl an möglichen Installationen zu beschränken.
Irgendwie ist es eine bizarre und ironische Situation, dass diejenigen, die momentan am meisten für die Erhaltung und Archivierung von Videospielen tun, sich entweder in rechtlichen Grauzonen aufhalten oder von der Industrie als „Bedrohung“ beschimpft werden – oder beides. SNES-Titel auf der Virtual Console oder alte LucasArts-Adventures auf Steam sind einerseits natürlich zu begrüßen, andererseits aber auch viel zu halbherzige Schritte. Her mit den kompletten Backkatalogen! Warum muss jemand, der Klassiker der Videspielgeschichte wie Earthbound oder Zak KcKracken spielen möchte, entweder Torrentseiten durchforsten oder Sammlerpreise auf eBay bezahlen (beides Dinge, die die Industrie ja verdammt, weil sie daran nichts verdient)? Vermutlich deshalb, weil eventuelle Remakes, Ports, Sequels und Compilations dann weniger profitabel wären. Wenn ich mir diese Situation ansehe, zusammen mit dem zunehmenden Trend, Spiele praktisch zu „mieten“ statt sie zu kaufen, dann gefällt mir das nicht.
Was nämlich angesichts der Konzentration auf kurzfristige Profitmaximierung gerade der zukünftigen kritischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Videospielen hier für Steine in den Weg gelegt werden, sollte einem zu denken geben. Als Filmwissenschaftsstudent schmerzt mich der Gedanke daran, wie viele Filme aus der Frühzeit des Kinos heute für immer verloren sind, schlicht weil man den Film als kulturelles Medium damals nicht ernstgenommen hat, und jetzt beobachte ich quasi live, wie sich die Geschichte mit einer weiteren Kunstform, die mir am Herzen liegt, wiederholt. Und am meisten besorgt mich daran, dass es nicht die Profitorientiertheit der Publisher allein ist, von der diese gefährliche, kurzsichtige Art des Denkens ausgeht – immerhin handelt es sich um Unternehmen, deren Aufgabe die Profitmaximierung ist -, sondern dass dieser gegenwartsfixierte Umgang mit dem Medium, in dem Geschichtsbewusstsein ausschließlich in ironisch-nostalgischer Form existiert, von einem Großteil der Spielepresse und den Spielern selbst geteilt wird.