Die „Venetian Blinds“-Story

Wie ich an dieser Stelle schon einmal ausgeführt habe, wurde Activision im Jahr 1979 von Ex-Mitarbeitern von Atari gegründet, die sich in dem Unternehmen schlecht behandelt gefühlt hatten. Activision begann, Spiele für das Atari 2600 zu entwickeln und wurde damit der erste Third-Party-Hersteller der Videospielgeschichte. Atari war gar nicht recht, dass plötzlich jemand anderer als sie selbst Spiele für ihre Konsole veröffentlichten. Sie klagten, aber verloren.

Eine interessante Episode, die sich zu jener Zeit begab, war der Streit um die sogenannte „Venetian Blinds“-Technologie. Jene wurde von Activision-Mitbegründer Bob Whitehead noch in seiner Zeit bei Atari erfunden und ermöglichte auf dem Atari 2600 die Darstellung von acht Objekten in einer Reihe anstatt der zuvor möglichen sechs. Klingt unspektakulär, aber wer über die enormen programmiertechnischen Beschränkungen des Atari 2600 Bescheid weiß, kann sich vorstellen, wie bedeutend ein derartiger Trick sein kann. Zum Einsatz kam er im Spiel Video Chess, einer Umsetzung von Schach – was ohne besagte Technik auf der Konsole gar nicht möglich gewesen wäre.

Einer der Klagepunkte von Atari war nun, dass es sich bei der „Venetian Blinds“-Technologie um ihr Eigentum handle und und Activision sie gestohlen hätte. Die Activision-Jungs fanden diesen Vorwurf offensichtlich so lächerlich, dass Whiteheads Kollege David Crane ein Atari 2600-Programm namens Venetian Blinds schrieb, das aus nichts als einem Fenster mit heb- und senkbaren Jalousien bestand, und es Ataris Anwälten mit der Frage „‚Venetian Blinds‘, eh? Meint ihr das hier?“ vorspielte. Atari schien allerdings nicht zu Scherzen aufgelegt zu sein und klagte trotzdem.

Warum erzähle ich diese Geschichte? Nun, dank Microsoft ist David Cranes legendäres Venetian Blinds-Demo nun kommerziell erhältlich, nämlich im immer für bahnbrechende Sensationen guten Game Room. Bewegt man den Stick nach oben, kann man die Jalousien öffnen. Bewegt man den Stick nach unten, schließt man sie wieder. Man kann auch ganz verrückt sein und sie nur eine Spur öffnen … oder vielleicht doch ein Stück mehr… nein, das ist zuviel, wieder ein bisschen zurück… Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Und wer glaubt, dass das natürlich weit mehr kosten muss, als der durchschnittliche Game Room-Release – weit gefehlt! Venetian Blinds kann um den sensationellen Preis von den im Game Room üblichen 240 Microsoft Points erworben werden. Danke Microsoft!

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Ist Microsofts Game Room eine Totgeburt?

Erst vor zwei Wochen habe ich über Microsofts neue Downloadplattform Game Room für Xbox Live und Games For Windows Live geschrieben, die den Kauf alter Arcade- und Konsolenspiele in einer virtuellen Spielhalle anbietet. Doch schon etwas mehr als ein Monat nach dem Start macht das Projekt den Eindruck, als wäre es komplett am Ende. Okay, Downloadservices haben oft ihre Startprobleme, und vielleicht erholt sich auch Game Room irgendwann, aber einen derart desaströsen und, man muss auch sagen, bescheuerten Start eines solchen Unternehmens habe ich noch nicht erlebt.

Blicken wir zurück und ziehen Bilanz. Ende März startet Game Room, und gleich macht sich Enttäuschung breit. Das Angebot ist dürftig, die Preise überhöht, und es gibt massive Bugs und Serverprobleme. Dazu kommt die Nachricht, dass es erst nach einem Monat neue Spiele geben soll. Nichts an diesem Launch ergibt Sinn aus einer marketingstrategischen Perspektive. Ein Monat ist in der Videospielwelt eine Ewigkeit. Bis dahin ist Game Room aus den Schlagzeilen der Blogs und von den Festplatten der User längst wieder verschwunden. Und warum gibt es keine richtig attraktiven Launchtitel und -angebote?

Ein paar Wochen später erscheint ein Patch für die PC-Version, der endlich einige Achievement-bezogene Bugs beseitigt, dafür auf vielen Systemen (so auch auf meinem) die Performance der Spiele völlig ruiniert. Etwa zur gleichen Zeit wird bekannt, dass der Entwickler von Game Room, das australische Studio Krome, dreißig Mitarbeiter über Nacht entlassen hat. Und am Tag, als endlich zum ersten Mal neue Spiele erscheinen sollen, gibt es stattdessen nur die Nachricht, dass der Release weiterer Titel auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Das Schlimmste an der Sache ist der immense Imageschaden. Wenn man sich in den einschlägigen Foren und Blogs umsieht, findet man fast ausschließlich Spott, Zorn, Enttäuschung oder schlichtes Desinteresse was Game Room betrifft. Und spätestens jetzt haben selbst die wenigen Apologeten (zu denen sich auch der Autor dieser Zeilen zählte) mittlerweile die Geduld verloren. Für die Gamer Community ist Game Room ein Witz – und keiner von der guten Sorte (wie Deadly Premonition), sondern von der ganz schlechten (wie Too Human). Ich meine, wenn Vergleiche mit Home gezogen werden und Home dabei gewinnt, dann weiß man, dass man in der Scheiße sitzt.

Was also tun? Wenn in ein paar Wochen halt dann doch Basketball für Intellivision erscheint, wird man Game Room gewiss nicht auf die Festplatten und in die Herzen der Community zurückbringen können. Es braucht einen Knall, einen Umschwung, eine Offensive. Andererseits, vielleicht ist es Microsoft auch egal. Ein paar dreißig Jahre alte ROMs hochzuladen kann schließlich schwer zu großen finanziellen Verlusten führen. Da reichen ein paar Nostalgiker mit zuviel Geld schon aus.

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Game Room: Die Rückkehr der Spielhalle?

Seit ein paar Wochen gibt es auf Xbox Live und Games For Windows Live ein neues Service, das sich Game Room nennt. Es ist im Wesentlichen eine Donwloadplattform für alte Arcade-Spiele, eingebettet in das Interface einer virtuellen Spielhalle. Zum Launch wurden 30 Spiele angeboten, darunter nicht nur Arcade-, sondern auch Atari 2600- und Intellivision-Titel. Ab Ende April sollen wöchentlich neue Spiele zum Download angeboten werden.

Drumherum gibt es eine ganze Menge Features, wie Hintergrundinfos, Ranglisten, Replays, die Möglichkeit seine eigene Spielhalle einzurichten, Medaillen zu verdienen oder Freunde zu Highscore-Jagden herauszufordern. Und erst dadurch wird die ganze Sache eigentlich erst interessant. Natürlich kann ich mir all diese Spiele innerhalb einer Minute umsonst aus dem Internet besorgen, aber mit der tatsächlichen Arcade-Erfahrung hat das wenig zu tun. Erst durch die Einbettung in einen historischen Kontext und die Hinzufügung des sozialen, kompetitiven Elements erwachen diese Spiele wirklich wieder zum Leben, und das ist es, was Game Room so interessant macht, gerade wenn man sich für die Geschichte von Videospielen interessiert.

Das führt mich zu den Problemen von Game Room. Da wäre der Preis: Ein Spiel kostet 240 Microsoft Points bzw. 400 Points, wenn man es plattformübergreifend nutzen will. Auf die meisten Spiele bezogen ist das zwar viel, könnte aber immerhin durch die hinzugefügten Features wie Medaillien und Online-Play gerechtfertigt werden. Allerdings mag dieses Argument vielleicht bei einem Konami-Shmup aus 1985 ziehen, aber beispielsweise bei Intellivision-Titeln ist es schon sehr grenzwertig.

Ein weiteres Problem wäre das Angebot. Schon der Launch ist unglücklich geraten, mit wenig kaufenswerten Spielen und der langen Pause, bis es neuen Content gibt; keine Ahnung was Microsoft sich dabei gedacht hat. Und zu allem Überfluss scheint alles darauf hinzudeuten, dass wir auch in den nächsten Wochen ausschließlich Titel von Atari, Intellivision und Konami zu sehen bekommen werden. Nicht, dass es da nicht noch gute Spiele gäbe, aber wo sind Namco, Taito, Midway, Capcom und Sega? Ich will Dig Dug! Mappy! Ms. Pac-Man! Bubble Bobble! Strider! Out Run! Shinobi!

Ein großes Manko ist auch das Fehlen von simultanem Online-Multiplayer, was gerade bei Spielen wie Combat im Grunde unentschuldbar ist. Ganz zu schweigen von Co-Op-Klassikern wie z.B. Gauntlet.

Kurz gesagt: Game Room hat eine Menge Potenzial, das es im Moment einfach noch nicht wirklich erfüllt. Aber mir gefällt die Idee dahinter sehr gut, und ich bin bereit für viele weitere Highscore-Duelle mit Freunden, also: Macht was draus!

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