Yar’s Revenge: Howard Scott Warshaws Meisterstück

Wann immer ich eine Liste meiner, sagen wir, 25 liebsten Videospiele aller Zeiten erstelle, ist dem Atari 2600-Klassiker Yar’s Revenge aus dem Jahr 1981 ein Platz darauf sicher, obwohl er sich von den meisten anderen Spielen auf der Liste doch ziemlich stark unterscheidet. Normalerweise lege ich Wert auf elaborierte Stories und komplexe Spielwelten, auf gut geschriebene Dialoge, ausgefeiltes Leveldesign, auf die Möglichkeit kreativ zu sein und Dinge erforschen und entdecken zu können. Yar’s Revenge hingegen ist ein recht simpler One-Screen-Shooter im Arcade-Stil – die Art von Spielen, mit denen ich normalerweise nicht viel mehr mache, als Zeit totzuschlagen.

Aber die Sache ist, Yar’s Revenge ist anders. Das wusste ich schon, als ich es zum ersten Mal gestartet habe. Das visuelle Layout wirkt vom ersten Augenblick an ikonisch und einzigartig, und das Sounddesign hat eine unheimliche, hypnotische Wirkung. Atmosphärisch habe ich mich an einen James Cameron-artigen SciFi-Horror-Film erinnert gefühlt – und das mit den unglaublich primitiven technischen Mitteln der Atari 2600-Konsole.

Die nächste Überraschung für mich war, wie schlau das Gamedesign ausgefallen ist. Simpel, aber für Shooter-Verhätnisse doch relativ komplex zugleich, und zudem interessant und originell. Man steuert ein kleines Insekt über den Bildschirm, das eine bewegliche Festung auf dessen rechten Seite durchdringen und den dahinterliegenden Feind vernichten muss, was nur mit einer Rakete möglich ist, die per Knopfdruck vom linken Rand aus abgeschossen wird. Gleichzeitig wird man die ganze Zeit über von einer Drohne verfolgt, vor der man nur in einem schmalen Kraftfeld in der linken Bildschirmhälfte Schutz finden kann. Zusätzlich verwandelt sich der Feind hinter der Festung ab und zu in einen Strudel, der auf den Spieler zuschießt.

Ja, es ist schwierig zu erklären, aber sobald man spielt, ergibt alles einen genialen, süchtigmachenden Sinn. Und das Beste: Wenn man den Feind mit der Kanone trifft (was immer wieder ungeheuer befriedigend ist, vor allem wenn er gerade im Begriff war in Strudelform auf einen zuzurasen) und damit den Level beendet, gibt es eine laute, farbenfrohe Explosion, die sich über den gesamten Bildschirm erstreckt und jedes mal wieder für ein massives Triumphgefühl beim Spieler sorgt. Hinzu kommen einfach diverse kleine Feinheiten im Gameplay, wie die Tatsache, dass man im Kraftfeld zwar vor der Drohne geschützt ist, aber nicht schießen kann; oder dass man sich mit der Kanone vom linken Bildschirmrand selbst treffen kann, wenn man unachtsam und hektisch ist. Jedes Element ist sorgfältig durchdacht und ergibt im Zusammenspiel mit den anderen Elementen einen ausgewogenes, reizvolles Ganzes. Das ist gutes Design, was umso bemerkenswerter ist, als vergleichbare Spiele auf der Konsole zumeist nicht über „Schieß alles ab ohne getroffen zu werden“ hinausgingen.

Bemerkenswert ist auch noch etwas anderes: Nämlich die Tatsache, dass der Designer von Yar’s Revenge niemand anderer ist als Howard Scott Warshaw – der Mann, dessen bekanntestes Spiel traurigerweise das berühmt-berüchtigte E.T. (ebenfalls für das Atari 2600) ist, welches oft als eines der schlechtesten Spiele aller Zeiten genannt wird und manchmal gar fälschlicherweise als Grund für den Crash der nordamerikanischen Videospielindustrie im Jahr 1983 verantwortlich gemacht wird. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Warshaw für die Qualität von E.T. nur begrenzt verantwortlich gemacht werden kann; angesichts der Tatsache, dass er für das Spiel gerade einmal fünf Wochen Zeit hatte (zum Vergleich: Yar’s Revenge war sechs Monate in Entwicklung), weil seine Chefs unbedingt noch im Weihnachtsgeschäft abkassieren wollten, muss man ihm eigentlich fast schon wieder Respekt für seine Leistung entgegenbringen.

Vielleicht sollte man es einfach so sehen wie Warshaw selbst: „E.T. is almost always in the ‚Worst Games of All Time‘ lists, and Yar’s Revenge is almost always in the ‚Best Games of All Time‘ lists, so the way I figure it is, I have the greatest range of any designer in history!“

[Andreas Dobersberger]