Der japanische Künstler Takeshi Kitano ist den meisten wohl als Filmregisseur (Hana-bi, Kikujiros Sommer, Dolls) und Erfinder der TV-Show Takeshi’s Castle bekannt. Dass er im Jahr 1986 zusammen mit der Firma Taito auch ein Spiel für das Nintendo Famicom entwickelt hat, wissen hingegen die wenigsten. Es trägt den Namen Takeshi no chousenjou („Takeshis Herausforderung“) und dürfte wohl eines der bizarrsten Spiele sein, die je programmiert wurden.
Die Sache ist nämlich die: Takeshi Kitano hasst Videospiele. (Zumindest tat er das vor 23 Jahren.) Sein Ziel war nicht, ein unterhaltsames, spaßiges Produkt abzuliefern, sondern vielmehr, die Idee des Videospiels zu dekonstruieren und als sinnlose Zeitverschwendung zu entlarven. Zusätzlich waren angeblich viele seiner Gameplay-Ideen das Ergebnis von ausgiebigem Sake-Genuss…
In Takeshi no chousenjou übernimmt man die Rolle von Takeshi Kitano höchstpersönlich, der gerade von seinem Job gefeuert wurde und nun einen Schatz finden will, um an Geld zu kommen. Es handelt sich um ein seitlich scrollendes Action-Adventure in einem Gegenwartsszenario. Um voranzukommen muss man unter anderem Leute verprügeln, sich betrinken, sich von seiner Frau scheiden lassen und wiederholt Karaoke singen (über das im Controller eingebaute Mikrofon des Famicom). Besonders berüchtigt ist das Rätsel um die Schatzkarte: Wenn man sie erhält, ist sie anscheinend nur ein leeres Blatt Papier. Um die Schrift darauf sichtbar zu machen, muss man sie eine Stunde in die Sonne halten. Und gemeint ist tatsächlich eine Real-Life-Stunde, in der man nichts weiter machen darf, als zu warten. Drückt man in der Zeit einen Controller-Button, wird man beschimpft, verliert die Karte und muss weiter Karaoke singen.
Weiß man schließlich, wo sich der Schatz befindet, folgt ein klassischer, horizontaler Shoot-em-up-Level. Soweit nichts besonderes, aber der Haken ist, dass man zwar nach unten, links und rechts, aber nicht nach oben steuern kann, was die Sache natürlich bis ins Unermessliche erschwert, weil man sich seine beschränkten Abwärtsbewegungen bevor man ins Meer stürzt dadurch exakt einteilen muss. Hat man den Schatz am Ende des Spiels endlich gefunden, folgt das epische Finale: Der Bildschirm wird schwarz, Takeshis Kopf taucht auf und verkündet: „Großartig!“ Wartet man fünf Minuten, meldet er sich noch ein letztes Mal: „Warum nimmst du dieses Spiel so ernst?“
Das ist Takeshi no chousenjou – eine hämische Verarschung von Videospiel-Nerds. Und trotzdem – oder gerade deswegen – genießt es natürlich Kultstatus in Japan, als besonders interessantes Exemplar eines, wie die Japaner so schön sagen, kusoge („Scheißspiel“). Interessant deshalb, weil hier vielleicht zum ersten Mal jemand ein bodenlos schlechtes Videospiel programmiert hat, nicht weil er es nicht besser kann, sondern weil er damit etwas ausdrücken will. Message über Unterhaltungswert – damit ist Takeshi no chousenjou wohl das einzige art game auf dem Famicom.
Wer das Spiel in Aktion sehen will, dem sei unbedingt Episode Eins der herrlichen japanischen Videospielshow Game Center CX empfohlen, amüsante Hintergrundinfos inklusive:
[Andreas Dobersberger]