Bioware und ich: Eine wechselhafte Liebesbeziehung

Den Titel des neuen Bioware-Rollenspiels Dragon Age: Origins kann man auf mehrere Arten lesen: Zum einen verdeutlicht das Wort „Origins“ natürlich das Gewicht, das in dem Spiel auf den unterschiedlichen möglichen origin stories des Protagonisten bzw. der Protagonistin liegt; weiters signalisiert es die Geburtsstunde eines neuen Franchises; und drittens steht es dafür, dass Bioware mit ihrem neuesten Werk zu den Wurzeln ihrer Erfolgsgeschichte zurückkehren: dem PC-Fantasy-Rollenspiel oder konkreter gesagt der Baldur’s Gate-Reihe.

Auch meine Liebe zu Bioware nahm mit Baldur’s Gate ihren Anfang, allerdings war ich nicht wirklich ein Fan der ersten Stunde. Es muss 1999 gewesen sein, als ich mir Baldur’s Gate gekauft habe (erschienen ist das Spiel Ende 1998), in der Hoffnung, ein modernes Äquivalent zu den Höhepunkten der Ultima-Serie zu bekommen, vor allem hinsichtlich einer realistisch simulierten, hochinteraktiven Fantasy-Welt. Ich erlebte eine Enttäuschung, da die NPCs im Wesentlichen an einem Ort herumstanden und die Interaktionen mit der Umwelt recht eingeschränkt waren. Irgendwann wurde ich frustriert und gab auf.

Ein paar Jahre später bekam mein Bruder die Special Edition von Baldur’s Gate II: Shadows of Amn (Erscheinungsjahr 2000) zum Geburtstag geschenkt, und als ich es schließlich selbst zu spielen begann, war ich tief beeindruckt – das war eines der besten Spiele, die ich je zu Gesicht bekommen hatte. Waren die Verbesserungen zum ersten Teil tatsächlich so groß oder sollte ich ihn einfach damals falsch eingeschätzt haben? Ich ging zurück und siehe da: Sei es die veränderte Erwartungshaltung, sei es die größere Erfahrung mit dem Spielsystem, Baldur’s Gate gefiel mir plötzlich ebenfalls unheimlich gut.

Das nächste Bioware-Spiel war Neverwinter Nights (2002), wie Baldur’s Gate im D&D-Forgotten Realms-Setting angesiedelt, aber mehr ein Editor mit Beispielkampagne als eine mit den Vorgängern vergleichbare revolutionäre Singleplayer-Erfahrung. Ich war etwas enttäuscht und habe dem nächstes Bioware-Epos Star Wars: Knights of the Old Republic nicht besonders viel Beachtung geschenkt, als es 2003 erschienen ist. KOTOR jedoch war es, das für Bioware gewissermaßen einen neuen Durchbruch bedeutete, nämlich in den Mainstream: Es war ihr erstes Rollenspiel für eine Konsole (Xbox) und noch dazu mit der Star Wars-Lizenz, somit für einen Großteil von Gamern der erste Kontakt mit dem Bioware-RPG-Spielprinzip. Deshalb ist es auch bis heute so ein hochgehaltener Fan-Favorit.

Ich selbst kam erst wieder mit Bioware in Kontakt, als ich 2007 die PC-Version von Jade Empire (Debüt 2005 auf der XBox) spielte und hemmungslos begeistert war: Was für ein wunderbares Szenario (chinesische Mythologie/Wuxia/Fantasy/Steampunk)! Was für ein spaßiges Kampfsystem (Kung-Fu-Ass-Kicking)! Ich ging zurück und spielte KOTOR, um zu sehen, was ich verpasst hatte, war aber nicht sonderlich beeindruckt. KOTOR ist natürlich ein sehr gutes Spiel, aber für jemanden, der zuvor schon Baldur’s Gate und Jade Empire gespielt hatte, bot es nichts wirklich Aufregendes.

Für Bioware ging es weiter mit Mass Effect (Xbox 360: 2007, PC: 2008) und Sonic Chronicles: The Dark Brotherhood (DS: 2008). Ersteres habe ich gerade letzten Montag beendet und es nach anfänglicher Skepsis extrem genossen. Im Gegensatz zu anderen Bioware-RPGs wurde Mass Effect auf das Ziel hin desgint, möglichst cinematisch zu wirken, was erstaunlich gut gelungen ist. Und ich ziehe das hier angewandte Prinzip entschieden vor, einen Protagonisten bzw. eine Protagonistin zu haben, der/die über eine tatsächlich im Spiel präsente Stimme verfügt, seine/ihre eigenen Sätze sagt, anstatt wie in den meisten anderen Bioware-Titeln in Dialogsequenzen stumm aus der Wäsche zu kucken wie ein Halbidiot.

Jetzt bin ich dreizehn Stunden in Dragon Age: Origins und habe trotz des enttäuschend langweiligen Tolkien-artigen Settings viel Spaß, vor allem dank der wahrscheinlich klassischsten Bioware-Tugend: tiefgehende Charakterzeichnungen und -interaktionen. Ein Baldur’s Gate II jedoch ist es nicht. Vielleicht ist so ein Spiel – so pervers es klingen mag – heute einfach nicht mehr umzusetzen.

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