Manche Leute behaupten ja, früher wäre alles besser gewesen. Männer waren Männer, Frauen waren Frauen, Kinder waren gut erzogen, Filme und Musik waren noch richtig gut. Was Spiele betrifft, nun, die waren noch eben richtig herausfordernd und überhaupt kam es nicht nur auf die Grafik an wie heute. Und es gab das vermaledeite Internet noch nicht, was bedeutete, dass jedes Spiel ein Mysterium mit potenziell unendlichen Möglichkeiten darstellte.
Statt dass man am Releasetag eines Spiels auf Gamefaqs schauen konnte und dort ein Dokument im Umfang des Alten Testaments vorfand, dass jede Spielmechanik und jedes noch so kleine Geheimnis bis aufs Letzte aufschlüsselte, musste man zu deutlich beschränkteren Mitteln greifen, wenn man feststeckte. Freunde in der Schule konnten wertvolle Tips geben, auch wenn die Hälfte davon gewiss komplett erfunden war. Man konnte heimlich die sündteure Hotline von Sega, Nintendo oder ähnlichen Institutionen zu Rate ziehen, aber auch dort stieß man eher auf überforderte, unterbezahlte Callcenter-MitarbeiterInnen. Und dann gab es natürlich noch Zeitschriften und Lösungsbücher. Manche Entwickler legten schon das Design ihrer Spiele darauf an, dass möglichste viele Hintbooks oder Ausgaben von Nintendo Power gekauft werden. Ich denke da besonders an Adventures auf dem PC, aber auch an NES-Spiele wie Milon’s Secret Castle oder Castlevania II: Simon’s Quest.
Es war aber, bei aller Kritik und/oder Verklärung, unbestreitbar eine abenteuerliche Zeit. Ich weiß noch, wie ich an den Code für die Levelauswahl in Sonic 2 gekommen bin. Mein Vater rief mich von Unterwegs an und teilte mir mit, dass er in einer Buchhandlung ein Hintbook für Sega Mega Drive-Spiele entdeckt habe. Darin habe er den Code entdeckt, den er mir sogleich über das durchsagte. Ich probierte ihn aus, er funktionierte, und ich weiß ihn heute noch auswendig: 19, 65, 09, 17 im Soundtest-Menü – der Geburstag von Sonic Team-Gründer Yuji Naka, wie ich Jahre später erfuhr.
Indiana Jones and the Last Crusade ist ein besonders schönes Beispiel, weil ich trotz mehrmaligem Durchspielen im Laufe der Jahre immer wieder neue Dinge entdeckt und erfahren habe. Als ich 11 oder 12 war, erklärte mir ein Schulkollege detailliert, wie man nach Berlin gelangen und Hitler persönlich gegenübertreten konnte wie im Film. Er wusste sogar die genauen Sätze, mit dem ich dem Grenzposten auf dem Weg dorthin überzeugen konnte, mich durchzulassen. Und schließlich erklärte er mir, dass Hitler blöd genug ist, ein Autogramm auf einem Passierschein zu hinterlassen, wenn man ihm diesen vor die Nase hält. Mit diesem unterschriebenen Passierschein kam man an sämtlichen Grenzposten auf dem Weg nach Iskenderun vorbei, was ich absolut unglaublich und fantastisch fand, waren die Grenzposten doch immer der meistgefürchtetste Teil des Spiels für mich gewesen.
Ja ja, so war das früher. Die Generation, die heute mit Videospielen aufwächst, wird solche Erlebnisse schon nicht mehr kennen, denn im Regelfall gibt es keine richtigen Geheimnisse in Videospielen mehr; jede Antwort ist mehr oder weniger einen Mausklick entfernt. Das ist ein bisschen traurig, aber sind wir uns ehrlich: Würden wir uns eine Zeit ohne den Komfort des Internets wirklich zurückwünschen? HELL NO!
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