Die Wario Land-Serie ist eine interessante und oft übersehene Komponente in Nintendos Franchise-Katalog. Durchaus eine erfolgreiche Marke, ist Wario im Vergleich zu Mario, Zelda oder Metroid doch eher eine Nischenerscheinung, eine Kuriosität, die heute am ehesten mit den WarioWare-Spielen in Verbindung gebracht wird. Wario steht seit jeher für Spiele, die ein bisschen off-beat sind, die experimentieren und gewohnten Muster einen gewissen Twist geben. Das ganze Konzept der Figur sowie der Spiele besteht ja im Wesentlichen darin, Mario einmal durch einen verzerrten Spiegel zu betrachten.
Das erste Mal tauchte Wario als Antagonist in Super Mario Land 2: Six Golden Coins für den Game Boy auf, bevor er mit dem Nachfolger Super Mario Land 3: Wario Land sein erstes eigenes Spiel bekam. In diesem kam Mario gar nicht vor, aber seinen Namen behielt man doch zumindest im Titel – ein aus einer Marketing-Perspektive recht geschickter Weg, um Wario mit Starthilfe seiner bombastisch populären Nemesis gewissermaßen unter der Hand zwischen die Finger der Spieler zu schmuggeln. Immerhin entsprach Wario als Protagonist nicht unbedingt den normalerweise so streng familienfreundlichen Nintendo-Richtlinien – Prinzessinen in Not gerettet werden hier nicht, Warios einzige Motivation ist seine ausgesprochene Raffgier. Im Großen und Ganzen war Wario Land ein großartiges Spiel, in seinem Gameplay aber noch vergleichsweise konventionell.
Das zweite Wario Land-Spiel ist vor allem aufgrund der Plattform interessant, auf der es erschienen ist – dem Virtual Boy. Den einfallsreichen Titel Virtual Boy Wario Land tragend gilt es allgemein als das mit Abstand beste Spiel auf der Fehlschlag-Konsole. Es ähnelt vom Spielablauf her seinem Vorgänger, arbeitete jedoch die 3D-Fähigkeiten des Virtual Boy ein.
Richtig interessant wurde es mit Wario Land 2, wiederum für den Game Boy (und Game Boy Color). Noch immer handelt es sich um ein Jump-and-Run, in dem Schätze gesammelt werden, doch der Fokus ist stark verschoben. Zuallererst: Wario ist in diesem Spiel unverwundbar. Er kann nicht sterben, er kann nicht einmal Schaden nehmen. Wenn er von einem Gegner getroffen wird, passiert eines von zwei Dingen: Entweder er verliert eine Anzahl gesammelter Münzen oder er macht eine kurzzeitige Verwandlung durch, die ihm oft sogar zum Vorteil werden kann. So bleibt er beispielsweise, wenn er zerquetscht wird, eine Zeitlang flach, und kann so etwa durch Öffnungen gelangen, die ihm vorhin zu eng waren. Zudem bietet Wario Land 2 tonnenweise versteckte Räume und eine weitverzweigte Levelstruktur. Der Schwerpunkt liegt somit mehr auf der Freude am Erforschen und Sammeln als auf dem reflexbasierten Überwinden herausfordernder Hindernisparkours.
Wario Land 3 auf dem Game Boy Color übernahm die Gameplay-Elemente des Vorgängers, fügte sie aber in eine Metroidvania-Struktur ein, was konsequent scheint, aber doch die erfrischende Einzigartigkeit, die Wario Land 2 ausgezeichnet hatte, ein Stück weit kompromittiert. Aber das mag eine Geschmacksfrage sein. Auf mich hat der dritte Teil einfach nie die Faszination des zweiten Teils ausgeübt, der meine Vorlieben so perfekt getroffen hatte.
Wario Land 4 für den Game Boy Advance änderte die Formel wieder gründlich. Die Verwandlungen blieben ein zentrales Element, aber Wario war wieder verwundbar und hatte Hit Points in Form einer klassischen Herzleiste. Ziel in den Levels war es nun, ein Schlüsseltierchen zu finden, das den Weg zum nächsten Level öffnen konnte, im Anschluss eine Bombe zu zünden und mit dem Tierchen aus dem Level zu flüchten, bevor der Countdown ablief. Zusätzlich mussten pro Level vier Teile eines Edelsteins aufgespürt werden, um Zugang zu den Bossen zu erlangen. Das Spannendste an Wario Land 4 ist jedoch die Ästhetik: Das visuelle und akustische Design ist immens kreativ, teilweise fast schon avantgardistisch (ich denke da vor allem an den Sound Room).
Nach dem Ende der Game Boy-Ära sah man Wario noch in dem ein oder anderen weiteren Jump-and-Run (namentlich Wario World auf dem GameCube, Wario: Master of Disguise auf dem DS und zuletzt Wario Land: The Shake Dimension auf der Wii), aber die Klasse und Kreativität der Game Boy-Titel konnte darin noch nicht wieder erreicht werden – zumindest wenn man den Reviews Glauben schenkt. Persönlich gesprochen: Sobald bei mir eine Wii ins Haus kommt, hole ich mir garantiert als allererstes… okay, Super Mario Galaxy. Aber danach bestimmt das neueste Wario Land.
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