Eines meiner Lieblingsspiele auf dem ST war Populous, das Ur-„Godgame“, das die bis heute anhaltende Karriere von Peter Molyneux (unter anderem bekannt für Syndicate, Dungeon Keeper, Black & White und zuletzt Fable II) begründete. Wurde dieses Spiel gespielt, konnte man es schon von weitem hören – immerhin bestand das Gameplay zu 95% aus dem Heben und Senken von Land durch hitziges Klicken mit dem Mauscursor, und zusammen mit den recht lauten Knöpfen der ST-Maus ergab das eine Geräuschkulisse, die durchaus an eine Schießerei mit Maschinengewehren erinnerte. Meine Begeisterung als Kind für Populous ging weit genug, dass ich gar eine Brettspielvariante entworden und gebastelt habe.
Populous (also das Videospiel, nicht mein Brettspiel…) ist in meinen Augen ein geniales Spiel der Sorte simpel-und-doch-komplex, das mich jedes Mal wieder süchtig macht, wenn ich damit beginne (so auch zuletzt bei der neuesten Version, auf dem DS). Das Spielprinzip ist wohl vor allem deshalb so fesselnd und befriedigend, weil es ein menschliches Grundbedürfnis anspricht, nämlich Ordnung ins Chaos zu bringen. (Warum ich dieses Grundbedürfnis nie auf meinen Schreibtisch anzuwenden im Stande zu sein scheine, sei dahingestellt.) Das Gameplay ist zeitlos wie das von Tetris.
Etwas später hatten wir ein Spiel auf dem ST, dass ich ebenfalls bis heute liebe, ebenfalls mit genialem, süchtig machendem Spielprinzip und ebenfalls von einem legendären Spieldesigner: Sid Meier’s Railroad Tycoon. Es gibt kaum etwas schöneres, als zwei Städte durch Bahngleise zu verbinden, einen Zug dazwischen hin- und herzuschicken und zuzuhören, wie die Kasse klingelt. Wer’s mir nicht glaubt, kann auf der Homepage zu Sid Meier’s Railroads vorbeischauen, und sich das Original legal, umsonst und ohne Registrierung herunterladen; man sollte nur für den Rest des Tages keine wichtigen Termine mehr eingeplant haben.
Auf dem Atari ST machte ich auch meine ersten Erfahrungen mit Spielen mit 3D-Polygongrafik. Zum einen war da Geoff Crammonds Formula One Grand Prix, natürlich eine großartige Formel 1-Simulation, aber vom Genre her einfach nicht wirklich mein Ding. Die meiste Zeit habe ich versucht, als Geisterfahrer möglichst spektakuläre Crashes zu erzeugen. Das andere Spiel war die Weltraumsimulation Starglider 2. Ich hatte keine Ahnung, worum es in diesem Spiel geht oder was meine Aufgabe war (immerhin war die Anleitung auf Englisch), aber ich hatte trotzdem durchaus meinen Spaß damit. Die Atmosphäre war sehr surreal und fast meditativ, und man konnte einfach von Planet zu Planet fliegen, scheinbar endlose Tunnelsysteme erforschen, gegen Weltraumpiraten kämpfen oder auf die Sonne zufliegen, bis das ganze Bild in einem tollen grafischen Effekt regelrecht dahinschmolz.
Was ich noch nicht erwähnt habe, ist, dass wir für den ST zwei Monitore hatten: einen Farb- und einen Monochrombildschirm. Im Allgemeinen war der Monochromschirm für Anwendungen da und der Farbschirm für Spiele, aber es gab eine Ausnahme: Das Strategie-/Geschicklichkeitsspiel Esprit lief nur auf dem monochromen Monitor. Wenige Leute werden Esprit kennen; selbst das Internet scheint nur wenig darüber zu wissen. Etwas klarer wird das ganze vielleicht, wenn ich dazu sage, dass Esprit der vom Spielprinzip her identische Vorgänger von Oxyd ist. Auch hier kann ich Menschen helfen, die diesen großartigen Puzzle-Klassiker nicht kennen: Die Lösung heißt Enigma und ist hier zu finden – ein umfangreiches Open Source-Remake von so gut wie allen Oxyd-Iterationen auf einmal (inklusive Esprit) und noch mehr.
Wenn ich nichts vergessen habe, dann sind jetzt nur noch drei Sportspiele im weitesten Sinne übrig. Zwei davon drehen sich um Fußball, nämlich Football Manager 2 und Kick-Off, mit beiden habe ich mich relativ wenig beschäftigt. Richtig viel Freude hingegen hatte ich an Epix‘ Winter Games, sei es am entspannenden Schifahren durch schön gezeichnete Winterlandschaften im Biathlon oder am Eiskunstlaufen zu Tschaikowskis Schwanensee-Thema.
Leider habe ich den ST von früher nicht mehr, genausowenig wie die Spiele. Aber immerhin habe ich einige Anleitungen und Goodies aufgehoben, wie Henry Jones‘ Tagebuch, das Indiana Jones and the Last Crusade beigepackt war. Und außerdem gibt es ja Emulatoren wie Steem. Nur das Klickgeräusch der Maus und das Summen des Diskettenlaufwerks – diese Dinge gehen einem schon ab.