Where no man has gone before

Ein neuer Star Trek-Film steht vor der Tür, und so wird momentan naturgemäß viel zurückgeblickt auf die Geschichte des Franchise. Videospiele sind ein großer Teil davon – die schiere Anzahl an Star Trek-basierten Spielen wurde mir selbst erst in den letzten Tagen bewusst, was auch damit zu tun haben könnte, dass die Star Trek-Lizenz in der Videospielwelt lange als eine Art Fluch galt, geradezu ein Hindernis für Qualität. Aber vielleicht ist diese Perspektive etwas ungerecht. Zum einen sind Lizenzspiele allgemein selten gut, zum anderen zieht man womöglich unbewusst die Star Wars-Spiele zum Vergleich heran, die in der glücklichen Position sind, Eigentum von Lucasfilm und damit LucasArts zu sein, einem der renommiertesten Softwarehäuser überhaupt (zumindest in der Vergangenheit).

Ich selbst habe nur einen Bruchteil der Star Trek-Videospiele gespielt, und kann deshalb schwer einen guten allgemeinen Überblick geben – deshalb ziehe ich es wieder einmal vor, aus meiner persönlichen Erfahrung zu schöpfen, und die nicht mehr als fünf Star Trek-Titel vorzustellen, die mir im Laufe meiner Gamer-Karriere über den Weg gelaufen sind.

Star Trek: 25th Anniversary (PC, Interplay, 1992)

Viele Star Trek-Spiele gehören dem Actiongenre an, was paradox ist, war die Stimme von Star Trek doch immer eher eine der Vernunft, der Diplomatie, der Toleranz, des kühlen Kopfes und der klugen Ideen. So gesehen verkörpern 25th Anniversary und dessen Nachfolger Judgment Rites vielleicht am besten die Essenz des Vorbilds. Es handelt sich um Grafikadventures nach LucasArts/Sierra-Vorbild, basierend auf der Original-Serie. Mit Kirk, Spock und Co. besucht man fremde Planeten und Raumstationen, unterhält sich mit anderen Spezies und löst Rätsel. Zwischendurch gibt es auch hin und wieder eine Raumschlacht (in Judgment Rites komplett optional). Die episodenhafte Struktur und die Originalstimmen der Schauspieler in der CD-ROM-Version tragen ebenfalls ihren Teil zur originalgetreuen Atmosphäre bei. Interessant auch das Missionsdesign: Oftmals gibt es verschiedene Lösungswege, und je nachdem, wie gut man sich geschlagen hat, bekommt man vom Sternenflottenkommando eine Bewertung, die zu verschiedenen Endsequenzen führen kann.

Sehr weit habe ich damals zugegebenermaßen nicht gespielt, aber ich muss sagen, wenn ich jetzt so drüber schreibe, bekomme ich glatt Lust, das Spiel nochmal auszupacken…

Star Trek: Generations (PC, Microprose, 1997)

Dieses Spiel hat aus zwei Gründen eine besondere Bedeutung für mich: Zum einen basiert es auf dem siebten Star Trek-Film, der mich damals zum Trekkie gemacht hat. Zum anderen war es mein erstes eigenes FPS-artiges Spiel, also mit Ego-Perspektive und scrollender 3D-Grafik. Zwar war Generations mehr ein Action-Adventure als ein Shooter, aber es ging vor allem um die neuartige, immersive Erfahrung.

Aus diesen beiden Gründen habe ich sehr viel Zeit mit dem Spiel verbracht und war äußerst fasziniert davon, auch wenn es gleichzeitig ungeheuer frustrierend war. Die hin und wieder vorkommenden Abstürze hätte ich noch verkraftet, aber das Schlimme war: Man konnte in den teilweise richtig langen und schwierigen Außenmissionen nicht speichern. Von diesem großen Manko abgesehen ist mir Generations jedoch als recht gutes Spiel in Erinnerung. Neben den Action-Adventure-artigen Außenmissionen gab es strategische Weltraumschlachten, und der Storyverlauf gestaltete sich teilweise dynamisch und non-linear.

Star Trek: The Next Generation: Klingon Honor Guard (PC, Microprose, 1998)

Anders als Generations ist Klingon Honor Guard ein waschechter First-Person-Shooter, basierend auf der Unreal-Engine, und in einem Klingonen-Szenario, inklusive Bat’Leth und klingonischem Disruptorgewehr. Relativ durchschnittlich in den meisten Belangen, spielte es für mich vor allem deshalb eine große Rolle, weil es Bots im Multiplayer-Modus erlaubte, und da ich keinen Internetzugang besaß, war das für mich die erste Multiplayer-artige Erfahrung mit einem Shooter. Ich glaube, ich habe ingesamt mehr Zeit im Pseudo-Multiplayer verbracht, als im Single-Player-Modus, was allerdings auch daran liegen könnte, dass letzterer nicht besonders gut war.

Star Trek: Armada (PC, Activision/Mad Doc Software, 2000)

Hierbei handelt es sich um ein Echtzeitstrategie-Spiel, bei dem man die Rolle der Föderation, der Klingonen, der Romulaner und der Borg übernehmen konnte. Und ich muss sagen, für ein Echtzeitstrategie-Spiel war es ziemlich spaßig und wirklich kein schlechtes Spiel. Allerdings wüsste ich nicht, was man noch großartig dazu sagen sollte. Diese Art von Spielen hinterlässt bei mir höchst selten einen großen Eindruck. Einfach nicht mein Genre.

Star Trek: Voyager – Elite Force (PC, Raven Software, 2000)

Von den Star Trek-Spielen, die ich kenne, ist Elite Force wohl das beste – ein hervorragender First-Person-Shooter, basierend auf der Quake III-Engine und stark skriptbasiert. Die größte Stärke von Elite Force ist, wie perfekt es die Atmosphäre der Vorbild-Serie einfängt. Wenn ich mit Tuvok oder Seven of Nine auf einer Außenmission bin oder von Captain Janeway auf die Brücke zitiert werde, dann fühle ich mich dank authentischer Grafik, originalgetreuem Sound und dem raffinierten Einsatz von Scripted Events wie mitten in einer Folge von Voyager. Aber auch abgesehen davon stimmt so ziemlich alles. Wenn ich ein Star Trek-Spiel empfehlen müsste, dieses wäre es. Erwähnenswert ist auch das Expansion Pack, das es dem Spieler erlaubt, die Voyager frei zu erkunden.

[Andreas Dobersberger]

Der Game Boy und ich

Vor ein paar Tagen ist der gute alte Game Boy 20 Jahre alt geworden. Auch wenn ich nie ein besonders inniges Verhältnis zu Nintendos Ziegelstein hatte (meine erste eigene Handheldkonsole war der DS Lite), so gibt es ja vielleicht doch ein paar Erinnerungen, die es wert sind, sie zu teilen.

Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, war mein größter Wunsch einen Game Boy zu besitzen. Zum einen war ich schon damals ein großer Videospiel-Fan und zum anderen hatte so ziemlich jeder meine Freunde Nintendos Handheldkonsole zu Hause. Jedes Mal, wenn ich bei einem von ihnen auf Besuch war, spielte ich Game Boy-Spiele, vor allem Super Mario Land und Teenage Mutant Ninja Turtles: Fall of the Foot Clan – die Spiele, die wirklich jeder zu besitzen schien (neben Tetris natürlich, das mich aber nie besonders reizte). Dass ich ein Sega-Kind war, machte den Game Boy nur noch „exotischer“ und aufregender. Aber meine Eltern haben mir nie einen Game Boy gekauft bzw. erlaubt. Nicht, weil sie Videospiele grundsätzlich abgelehnt hätten, sondern weil sie gesehen haben, wie vollkommen besessen ich bereits vom Atari ST, Sega Master System und Sega Mega Drive war – bei welchen sie jedoch genau regeln und kontrollieren konnten, wie viel ich darauf spiele, was bei einem Game Boy ungleich schwieriger gewesen wäre. So blieb er mir also verwehrt.

Ein paar Jahre später folgte eine für größere Geschwister wohl recht klassische Erfahrung: Mein kleiner Bruder wünschte sich einen Game Boy Color und bekam ihn prompt zu Weihnachten. Einfach so. Ganz ohne die jahrelangen Flehereien und Betteleien, die ich vergebens durchgemacht hatte… Wie dem auch sei, auf dem Game Boy Color fallen mir vor allem drei Spiele ein, die ich damals recht ausgiebig gespielt habe: Zum einen wäre da eine Version von Grand Theft Auto (die ich, wie mir gerade einfällt, in meinem „GTA-Erinnerungen“-Artikel von vor ein paar Wochen sträflich unterschlagen habe – Schande über mich); ich weiß noch genau, wie ich an meinem Schreibtisch sitze, den Game Boy Color unter die grell scheinende Schreibtischlampe haltend, um etwas erkennen zu können. Dann gab es da einen erstaunlich adäquaten Port von Donkey Kong Country, bei dem mir aber irgendwann der Schwierigkeitsgrad zu hoch wurde. Das dritte Spiel war Pokemon: Blaue Edition. Gegen Pokemon hatte ich mich lange gewehrt, weil ich die ganze Marketing-Maschinerie drum herum als ungeheuer zynisch und nervig empfand, aber da mein Bruder so versessen darauf war, habe ich mich nun einmal auch hingesetzt, und entdeckt, dass es sich im Grunde um ein ziemlich gutes RPG handelt. Ich glaube sogar, dass ich es bis zum Ende durchgespielt habe.

Als schließlich der Game Boy Advance herauskam, bekam mein Bruder auch diesen geschenkt, und obwohl ich ein paar Mal darauf gespielt habe, war ich eigentlich vorwiegend entsetzt: Das Display war noch dunkler als bei den Vorgängern, und ich empfinde es bis heute als Frechheit, dass Nintendo sich überhaupt getraut hat, diesen Dreck zu verkaufen, nur um kurze Zeit später mit dem Game Boy Advance SP herauszurücken, der endlich, endlich, endlich über ein (wenn auch nur von der Seite) beleuchtetes Display verfügte.

Erst vor relativ kurzer Zeit habe ich begonnen, mir wirklich einen Überblick über die Schätze der Game Boy-Bibliothek zu verschaffen. Über den Game Boy Advance muss ich da nicht viel sagen; seit ich dessen Spiele in schönen, kräftigen Farben auf meinem DS spielen kann, weiß ich ihn wirklich zu schätzen – keine andere Handheldkonsole hat so eine breitgefächerte Auswahl an hochqualitativen Titeln, nicht einmal der DS. Und auch was den Game Boy und Game Boy Color betrifft, gibt es wirklich großartige Spiele, die oft vergessen oder übersehen werden; nicht nur nette Zeitvertreiber für Zwischendurch, sondern richtige kleine Meisterwerke. Ich behaupte, dass Metal Gear: Ghost Babel mehr Spaß macht als Metal Gear Solid für die PlayStation, und dass The Legend of Zelda: Link’s Awakening das vielleicht beste Zelda-Spiel aller Zeiten ist. Und Wario Land 2 könnte es sowieso locker in die Top 10 meiner Lieblingsspiele schaffen.

[Andreas Dobersberger]

Die Briten und ihr „Speccy“

Für die Briten ist der Sinclair ZX Spectrum (Spitzname „Speccy“) ein Nationalheiligtum. Als einer der ersten leistbaren Heimcomputer bot er 1982 so manchem die ersten Videospiel- und Programmiererfahrungen und hat noch heute einen festen, nostalgischen Platz in den Herzen der britischen Spielergemeinde. Im deutschen Sprachraum ist dieser Platz meist dem Commodore 64 vorbehalten – auf der Insel konnte sich dieser nur schwer und erst relativ spät gegen den Spectrum durchsetzen. Und wer glaubt, ich würde mit dem Wort „Nationalheiligtum“ übertreiben: 1983 überreichte Margaret Thatcher dem japanischen Premierminister als Symbol für Großbritanniens technologisches Können höchstpersönlich einen Spectrum, und im selben Jahr wurde sein Erfinder Clive Sinclair zum Ritter geschlagen.

Hier ein paar technische Eckdaten, nur um eine Perspektive auf die damaligen Verhältnisse zu bekommen: Das erste Modell des Spectrum war mit einem 3.5 Mhz-Prozessor ausgestattet und verfügte wahlweise über 16 oder 48 Kilobyte RAM. Die Bildauflösung betrug 256×192 bei 15 Farben. Hatte man sich einen Spectrum zugelegt brauchte man noch Fernsehgerät und einen Kassettenrekorder – das Fernsehgerät, weil Computermonitore einfach noch nicht selbstverständlich waren und den Kassettenrekorder, weil als Standarddatenträger Audiokassetten dienten. Einschlägigen Magazinen wie Your Spectrum (später Your Sinclair), Sinclair User und CRASH lagen oftmals Programme und Spiele bei, allerdings nicht etwa in Kassetten- oder Diskettenform, sondern in Form von Codelistings in BASIC, die abgetippt und dann selbst gespeichert werden mussten.

Wie sah es nun an der Spielefront aus? Selbstverständlich gibt es eine Menge an kanonisierten Speccy-Klassikern, die es allerdings höchst selten ins allgemein-kollektive Gamer-Gedächtnis geschafft haben – am ehesten dann, wenn sie auch auf mehreren anderen Systemen veröffentlicht wurden, wie etwa Codemasters‘ Dizzy-Reihe oder Melbourne Houses Textadventure-Umsetzung von The Hobbit. Zu weiteren Spectrum-Klassikern zählen beispielsweise die Jump-and-Runs Magic Miner und Jet Set Willy, die Rebelstar-Reihe (rundenbasierte Taktikspiele von Julian Gollop, späterer Designer der X-COM-Serie) oder die augenzwinkernde Schulsimulation Skool Daze, möglicherweise das Vorbild für Rockstars Bully.

Das Genre allerdings, das mit dem Spectrum wie kein anderes verbunden ist, ist jenes der isometrischen Action-Adventures. In diesen Spielen steuert man seine Spielfigur durch isometrisch dargestellte Räume, in denen man Gegner überwinden und verschiedenste Geschicklichkeits- und Rätselaufgaben lösen muss. Die isometrische Perspektive war eine clevere Methode, mit recht einfachen technischen Mitteln eine dreidimensionale Spielwelt zu erschaffen. Das erste Spiel dieser Art und damit ungeheuer einflussreich war Knight Lore von Ultimate Play The Game aus dem Jahr 1984. Dabei sollte man sich nicht vom recht dämlich klingenden Entwicklernamen täuschen lassen; hinter Ultimate Play The Game verbirgt sich nämlich die Firma, die später ihren Namen in Rareware bzw. Rare ändern und Titel wie Battletoads, Donkey Kong Country, GoldenEye 007, Banjo-Kazooie, Conker’s Bad Fur Day und Viva Pinata veröffentlichen sollte.

Das Rezept von Knight Lore wurde nicht nur auf dem Spectrum unzählige Male kopiert (z.B. in Head Over Heels, von dem es ein wunderschönes Freeware-Remake gibt – Empfehlung!), sondern lebte praktisch bis in die Mitte der Neunziger Jahre hinein weiter, als es mit der Etablierung von 3D-Polygon-Grafik größtenteils obsolet wurde. Interessante Variationen des Prinzips finden sich unter anderem in Cadaver (1990), D/Generation (1991) und Mystic Towers (1994).

Spectrum-Spiele heute zu spielen ist übrigens nicht schwer: Es gibt eine Vielzahl an Emulatoren für verschiedenste Systeme (auch als Facebook-Applications). Eine extensive Datenbank an Informationen, Dokumentationen, Emulatoren und ROMs findet sich auf http://www.worldofspectrum.org/. Nur nicht vergessen dabei eine Tasse Earl Grey zu trinken, God Save The Queen zu pfeifen und zwischendurch „Bloody ‚ell!“ zu rufen.

[Andreas Dobersberger]

Warum die Mitte der Neunziger eine schreckliche Zeit für Videospiele war

Die Mitte der Neunziger Jahre, und damit meine ich grob die Zeitspanne von 1994 bis 1996, ist videospielhistorisch betrachtet eine wichtige Umbruchszeit, und es gibt Spieler, die sie als Lieblingsperiode oder gar Goldenes Zeitalter ihres Hobbys bezeichnen. Ich persönlich konnte diese Einstellung nie teilen. Für mich sind die Mitte der Neunziger ein düsteres Zeitalter für Videospiele, voller Verirrungen, blödsinniger Ideen und nerviger „Trends“. Klar, es war nicht alles schlecht – das Super Nintendo beispielsweise spuckte um die Zeit viele seiner besten Titel aus (Super Metroid, Chrono Trigger, Earthbound, Yoshi’s Island etc.) – aber insgesamt bin ich einfach froh, diese Zeit überwunden zu haben. Hier sind ein paar Gründe:

– Der Markt war überflutet mit schlechten, teilweise überteuerten Konsolen. Ich meine, kann irgendjemand drei gute Exklusiv-Titel für das 3DO nennen? Ich bezweifle es, aber seine Entwickler waren selbstbewusst genug, beim US-Launch $699,95 (!) zu verlangen. Da soll noch jemand behaupten, die PS3 wäre überteuert. Daneben gab es „Prachtstücke“ wie Phillips CD-i, Atari Jaguar, Amiga CD32, Sega Saturn und nicht zu vergessen Nintendo’s Virtual Boy.

– CD-ROMs waren das neue große Ding, was in der Praxis bedeutete: schlechte FMV-Games (auch genannt „Interactive Movies“). Die Mitte der Neunziger waren eine Zeit, in der man allen Ernstes glaubte, FMV-Games seien die Zukunft. FMV steht für „Full Motion Video“ in bedeutete in der Praxis verpixelte Filmsequenzen, meistens auf Briefmarkengröße, mit entsetzlichen Schauspielern und verblödeten Spielkonzepten. Der Minderwertigkeitskomplex der Spieleindustrie gegenüber der Filmindustrie nahm hier seine furchterregendsten und groteskesten Formen an. Für eine Kostprobe sei dieses Video empfohlen.

– Was tatsächlich die Zukunft darstellte, war natürlich 3D-Polygon-Grafik. Mitte der Neunziger begann die Phase, in der sich nichts verkauft, wenn es nicht 3D ist, egal wie scheiße das „3D“ aussieht oder sich steuern lässt – von dieser Entwicklung haben wir uns erst seit ein paar Jahren wieder halbwegs erholt. Das Problem zu der Zeit war, dass die Technik einfach noch nicht weit genug war. Man kann heute kein frühes PlayStation-Spiel mehr anwerfen ohne sich zu übergeben. Damals waren alle beeindruckt, aber rückblickend ist die Playstation in etwa so gut gealtert wie das Atari 2600. Abgesehen eben von ihren 2D-Titeln: Castlevania: Symphony of the Night sieht auch heute noch absolut fantastisch aus.

– Zwei der im Grunde großartigsten Computerspielgenres, namentlich Adventures und westliche Rollenspiele, starben einen qualvollen Tod. Was die Rollenspiele betrifft, war es nicht so dramatisch, da sie recht schnell wiederauferstanden, aber Adventures haben sich nie mehr richtig erholt. Die Kids wollten pfeilschnelle 3D-Grafik, keine gemächlichen Point-and-Click-Geschichten. Ausnahme war bekanntlich Myst, eines der wenigen Beispiele, in denen FMV halbwegs geschickt eingesetzt wurde. Nur war Myst eher ein eigenes Genre als ein Point-and-Click-Adventure, nämlich eines, das spannende Handlung, interessante Figuren und gewitzte Dialoge durch stumpfsinnige Schalterrätsel ersetzte. Weitere Genres, die unglaubliche Siegeszüge begannen, waren Echtzeitstrategie (Command & Conquer) und das „Action-Adventure“ vom Tomb Raider-Schlag. Gähn.

– Multiplayermodi über LAN und Internet waren plötzlich der wichtigste Aspekt eines jeden PC-Spiels. Vorbei war die schöne Zeit, als man mit Freunden oder Geschwistern vor dem Computer saß, jetzt war es wichtiger mit einem Arbeitskollegen fünf Büros weiter oder mit einer völlig fremden Person in Korea zu spielen.

Und das sind nur einige der Gründe, warum ich an die Mitte der Neunziger in Hinsicht auf Videospiele nur mit Schaudern zurückdenke. Natürlich, heute haben wir ganz andere Probleme, aber insgesamt geht es uns doch besser, und dafür sollten wir dankbar sein. In diesem Sinne, Frohe Ostern.

[Andreas Dobersberger]

Yar’s Revenge: Howard Scott Warshaws Meisterstück

Wann immer ich eine Liste meiner, sagen wir, 25 liebsten Videospiele aller Zeiten erstelle, ist dem Atari 2600-Klassiker Yar’s Revenge aus dem Jahr 1981 ein Platz darauf sicher, obwohl er sich von den meisten anderen Spielen auf der Liste doch ziemlich stark unterscheidet. Normalerweise lege ich Wert auf elaborierte Stories und komplexe Spielwelten, auf gut geschriebene Dialoge, ausgefeiltes Leveldesign, auf die Möglichkeit kreativ zu sein und Dinge erforschen und entdecken zu können. Yar’s Revenge hingegen ist ein recht simpler One-Screen-Shooter im Arcade-Stil – die Art von Spielen, mit denen ich normalerweise nicht viel mehr mache, als Zeit totzuschlagen.

Aber die Sache ist, Yar’s Revenge ist anders. Das wusste ich schon, als ich es zum ersten Mal gestartet habe. Das visuelle Layout wirkt vom ersten Augenblick an ikonisch und einzigartig, und das Sounddesign hat eine unheimliche, hypnotische Wirkung. Atmosphärisch habe ich mich an einen James Cameron-artigen SciFi-Horror-Film erinnert gefühlt – und das mit den unglaublich primitiven technischen Mitteln der Atari 2600-Konsole.

Die nächste Überraschung für mich war, wie schlau das Gamedesign ausgefallen ist. Simpel, aber für Shooter-Verhätnisse doch relativ komplex zugleich, und zudem interessant und originell. Man steuert ein kleines Insekt über den Bildschirm, das eine bewegliche Festung auf dessen rechten Seite durchdringen und den dahinterliegenden Feind vernichten muss, was nur mit einer Rakete möglich ist, die per Knopfdruck vom linken Rand aus abgeschossen wird. Gleichzeitig wird man die ganze Zeit über von einer Drohne verfolgt, vor der man nur in einem schmalen Kraftfeld in der linken Bildschirmhälfte Schutz finden kann. Zusätzlich verwandelt sich der Feind hinter der Festung ab und zu in einen Strudel, der auf den Spieler zuschießt.

Ja, es ist schwierig zu erklären, aber sobald man spielt, ergibt alles einen genialen, süchtigmachenden Sinn. Und das Beste: Wenn man den Feind mit der Kanone trifft (was immer wieder ungeheuer befriedigend ist, vor allem wenn er gerade im Begriff war in Strudelform auf einen zuzurasen) und damit den Level beendet, gibt es eine laute, farbenfrohe Explosion, die sich über den gesamten Bildschirm erstreckt und jedes mal wieder für ein massives Triumphgefühl beim Spieler sorgt. Hinzu kommen einfach diverse kleine Feinheiten im Gameplay, wie die Tatsache, dass man im Kraftfeld zwar vor der Drohne geschützt ist, aber nicht schießen kann; oder dass man sich mit der Kanone vom linken Bildschirmrand selbst treffen kann, wenn man unachtsam und hektisch ist. Jedes Element ist sorgfältig durchdacht und ergibt im Zusammenspiel mit den anderen Elementen einen ausgewogenes, reizvolles Ganzes. Das ist gutes Design, was umso bemerkenswerter ist, als vergleichbare Spiele auf der Konsole zumeist nicht über „Schieß alles ab ohne getroffen zu werden“ hinausgingen.

Bemerkenswert ist auch noch etwas anderes: Nämlich die Tatsache, dass der Designer von Yar’s Revenge niemand anderer ist als Howard Scott Warshaw – der Mann, dessen bekanntestes Spiel traurigerweise das berühmt-berüchtigte E.T. (ebenfalls für das Atari 2600) ist, welches oft als eines der schlechtesten Spiele aller Zeiten genannt wird und manchmal gar fälschlicherweise als Grund für den Crash der nordamerikanischen Videospielindustrie im Jahr 1983 verantwortlich gemacht wird. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Warshaw für die Qualität von E.T. nur begrenzt verantwortlich gemacht werden kann; angesichts der Tatsache, dass er für das Spiel gerade einmal fünf Wochen Zeit hatte (zum Vergleich: Yar’s Revenge war sechs Monate in Entwicklung), weil seine Chefs unbedingt noch im Weihnachtsgeschäft abkassieren wollten, muss man ihm eigentlich fast schon wieder Respekt für seine Leistung entgegenbringen.

Vielleicht sollte man es einfach so sehen wie Warshaw selbst: „E.T. is almost always in the ‚Worst Games of All Time‘ lists, and Yar’s Revenge is almost always in the ‚Best Games of All Time‘ lists, so the way I figure it is, I have the greatest range of any designer in history!“

[Andreas Dobersberger]

The Nameless Mod: Deus Ex Reloaded

Kinder, wie die Zeit vergeht. Rein intuitiv widerstrebt es mir fast, über Deus Ex in der Retro-Rubrik zu schreiben; aber sobald ich einen Augenblick nachdenke, wird mir klar, dass das Erscheinen von Ion Storms revolutionärem, genreübergreifendem Werk doch schon wieder fast zehn Jahre her ist.

In diesen zehn Jahren produzierte die Fan-Community eine Handvoll sehr spielenswerter Singleplayer-Modifikationen wie Zodiac und Burden of 80 Proof, aber keine davon war so ambitioniert wie The Nameless Mod. Sieben Jahre war sie in Entwicklung, seit kurzem ist sie nun endlich erschienen.

Die Fakten allein sind beeindruckend: 15-20 Stunden Spielzeit, fünf verschiedene Endsequenzen, 200.000 Dialogzeilen, 14 Stunden Sprachausgabe. Und auch sonst kann ich als langjähriger Deus Ex-Fan bestätigen: Diese Mod ist grandios. Ich habe sie zugegebenermaßen noch nicht ganz durchgespielt, aber aber genug Zeit damit verbracht, um dieses Urteil ohne große Bedenken fällen zu können.

Die Prämisse klingt zunächst etwas abschreckend: Im Wesentlichen ist The Nameless Mod Forum-Fanfiction. Spielort ist eine virtuelle Stadt namens Forum City, in der sich die Deus Ex-Online-Community in Organisationen und Personen manifestiert. Die Hauptprotagonisten sind allesamt nach den tatsächlichen Programmierern der Mod benannt, Fanseiten wie PlanetDeusEx.com ersetzen Vereinigungen wie die UNATCO im Originalspiel. Ja, es klingt wie ein pubertärer Insiderschmäh. Die Umsetzung jedoch überzeugt rasch vom Gegenteil: Das Spiel ist gut genug designt, dass man keinerlei Vorwissen braucht, und das Konzept entpuppt sich mit der Zeit als reizvolles Meta-Szenario, das einen durchaus interessanten Blick auf Internet-Fankultur eröffnet.

In Gameplay-Hinsicht ist The Nameless Mod sogar noch eine Ecke offener und nonlinearer als Deus Ex. Forum City ist eine große Stadt mit verschiedenen Fraktionen, für die man Aufträge übernehmen kann, wodurch sich die Handlung in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe Sidequests und allgemein vieles zu entdecken und erforschen. Der Schwierigkeitsgrad richtet sich in seiner Grundeinstellung zwar eher an Deus Ex-Veteranen, ist aber erstaunlich detailliert konfigurierbar, bis hin zur Häufigkeit von Items und Gegnern.

Einer der Höhepunkte des ehrgeizigen Projekts ist mit Sicherheit die Sprachausgabe. Nicht nur sind alle Dialoge komplett vertont, sie sind es noch dazu auf professionellem Niveau. Mit der Musik verhält es sich ähnlich: Sie ist komplett neu, könnte aber ohne weiteres aus dem Originalspiel stammen. Visuell ist die Mod Deus Ex gar deutlich überlegen, was einerseits an teilweise höher aufgelösten Texturen liegt, aber vor allem daran, dass man hier nicht die gesamte Innenarchitektur des Spiels ausschließlich in der Farbe Grau gestaltet hat.

Das größte Problem von The Nameless Mod ist, dass es zumindest bei seinem Erscheinen noch relativ verbuggt war. Es ist jedoch schon wenige Tage später ein Patch erschienen, der nicht nur eine große Anzahl an Bugs beseitigt, sondern gleich auch noch die Balance einiger Missionen verbessert. Und noch immer sind die Entwickler fleißig dabei Feedback zu sammeln, man darf also auf weitere Verbesserungen hoffen.

Die Mod ist hier herunterzuladen: http://www.thenamelessmod.com/

[Andreas Dobersberger]

Grand Theft Rückblick – Meine Erfahrungen mit der GTA-Serie (Teil 2)

Im März 2007 erschien der erste Trailer zu GTA IV. Was mich dabei überraschte, war der plötzliche, gewaltige Hype, der damals seinen Anfang nahm – vielleicht der größte, den ich je einen Videospiel-Release betreffend erlebt hatte. Als GTA IV dann schlussendlich im April 2008 erschien, lobten es die Kritiker in den Himmel, und sogar die Mainstream-Medien waren voll davon. In Wien hingen Plakate. Plakate zu einem Videospiel, gegenüber der Staatsoper. Ich hatte keine Ahnung, wo dieser Hype hergekommen war, und spielen konnte ich es in Ermangelung einer Current-Gen-Konsole sowieso nicht. Bald jedoch wurde die PC-Version angekündigt, was mich freute, und ich nahm mir vor, ein wenig GTA-Geschichte nachzuholen, sei es nur, um rückwirkend den Hype verstehen zu können.

Abgesehen von den beiden PSP-Spinoffs war mein letzter richtiger Kontakt mit der Serie GTA II gewesen. Ich setzte gleich mit GTA: Vice City fort und übersprang GTA III, welches – so hatte ich den Eindruck – das im Grunde selbe Spiel minus Inhalt und Charakter war. Vice City machte mir interessanterweise deutlich mehr Spaß als Vice City Stories; keine Ahnung, ob es an mir lag oder an den Spielen. Trotzdem, irgendwann stieß ich wieder an die Wand, an der die Missionen zu frustrierend werden und man auf Cheat-Codes und Polizeiautos in die Luft jagen umsteigt. Viel zu tun gab es ja außerhalb der Missionen sonst nicht. Dieses Problem hatte ich mit GTA immer gehabt: Man hat zwar diese riesige Stadt, aber im Grunde ist sie nur eine Attrappe, die dazu dient von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Interaktionsmöglichkeiten hat man kaum. Klar, ich kann Autos klauen und Passanten niederknüppeln, eventuell nich ein paar Taxi- oder Rettungsmissionen machen, die sich wieder auf das Fahren von Punkt A nach Punkt B beschränken. Kein Vergleich zu der lebendigen Welt eines Ultima VII, wo es an jeder Ecke etwas Spannendes zu entdecken und unzählige Möglichkeiten gibt.

Um die Verbindung zu GTA IV herzustellen, entschloss ich mich schließlich noch, GTA: San Andreas zumindest anzuspielen. Dieser Teil der Serie hatte mich immer am wenigsten interessiert, was vor allem am Gangsta-Szenario lag, das auf mich wirkte, als wäre es ausschließlich auf dreizehnjährige 50 Cent/Bushido-Hörer zugeschnitten. Der größte Irrtum meiner Gamer-Karriere? Gut möglich. Und das sagt jemand, der Daikatana gekauft hat.

Dass mir ein solches Versäumnis passieren konnte, hatte neben meiner ursprünglichen Vorurteilsbehaftung wohl noch einige weitere Gründe. Zu der Zeit als das Spiel erschien, bezog ich meine Infors noch kaum aus dem Internet, sondern fast ausschließlich aus einem deutschen Spielemagazin, das mir dank seiner stumpfsinnig-trockenen Stiftung-Warentest-artigen Wertungskasten-„Reviews“ kaum etwas über die wahren Qualitäten des Spiels vermitteln konnte. Auf mich erschien es wie eine weitere Variante des immergleichen GTA-Prinzips, nur diesmal eben mit „coolen Gangstas“ statt mit Leuten in Hawaii-Shirts und Neonanzügen. Außerdem habe ich mich wohl von den bescheuert-verlogenen Kontroversen in den Mainstream-Medien so weit beeinflussen lassen, dass San Andreas auf mich immer wie ein primitives und dummes Spiel wirkte. Umso größer war meine Überraschung als ich entdeckte, wieviel reine Ambition und Detailliebe in dieses Werk geflossen ist.

Ich könnte jetzt über die gigantische, abwechslungsreiche Spielwelt reden (ein ganzer Staat!), aus deren Durchquerung und Erforschung sich mit der Zeit eine wunderbare USA-Gesellschaftssatire ergibt. Oder über die Rollenspiel-Elemente und wie sie sich auf das Spielgeschehen auswirken. Oder über das großartige Figuren-Ensemble, mitsamt dem insgesamt vielleicht besten Voice-Acting, die ich je in einem Videospiel gehört habe (James Woods als Mike Toreno – unbezahlbar). Über die endlich funktionierende Steuerung. Über die Grafik und Animationen. Verdammt, ich könnte einen eigenen Artikel nur über die Fahrräder in diesem Spiel schreiben. Ehrlich.

San Andreas ändert nichts am grundsätzlichen GTA-Prinzip, ist aber für mich der erste Titel der Reihe, in dem unzählige kleinere und größere Elemente so zusammenkommen, dass sie insgesamt eine durchgehend faszinierende, immersive und mitreißende Erfahrung bieten. Natürlich gibt es noch immer viele der alten Probleme, allen voran das unnachgiebige und dadurch an vielen Stellen extrem frustrierende Missionsdesign – aber hier war es mir das zum ersten Mal wert; San Andreas ist bis heute das einzige Spiel der Serie, das ich bis zum Ende durchgespielt habe.

Selbstverständlich wäre ich demnach sehr interessiert daran, GTA IV zu spielen. Aber wie gesagt bin ich auf die PC-Version angewiesen, und die werde ich mir erst dann besorgen, wenn sie auf ein einigermaßen spielbares Niveau gepatcht wurde. Bis dahin gibt es GTA: Chinatown Wars, laut Metacritic immerhin das am besten bewertetste DS-Spiel aller Zeiten, das obendrein vom Design her stark an die Tage erinnert, als ich GTA zum ersten Mal für mich entdeckte.

[Andreas Dobersberger]

Grand Theft Rückblick – Meine Erfahrungen mit der GTA-Serie (Teil 1)

In ein paar Tagen erscheint Grand Theft Auto: Chinatown Wars für den Nintendo DS. Und da GTA-Spielen ja immer viel zu wenig Medienaufmerksamkeit geschenkt wird (har har), hier mein ganz persönlicher Rückblick auf die Serie.

Als ich zum ersten Mal die Abkürzung GTA hörte, muss ich schätzungsweise dreizehn gewesen sein. Schulkollegen sprachen mit Ehrfurcht und Begeisterung von diesem Spiel, von dem ich nur nebenbei mitbekam, dass man darin Autos fuhr, es aber trotzdem kein Rennspiel sei. „Klingt komisch“, dachte ich desinteressiert und wandte ich wieder meinen LucasArts-Adventures zu, bis ich einige Zeit später eine Besessenheit für Spiele entwickelte, die einem „Handlungsfreiheit“ boten, also dem Genre der „Open World-“ oder „Sandbox“-Spiele. Im Zuge dessen lernte ich, was GTA für eine Art von Spiel war: Man übernimmt die Rolle eines Kleingangsters in einer komplett frei begeh- und befahrbaren Stadt, die aus der Vogelperspektive dargestellt wird.

Zu der Zeit war gerade GTA London 1969 aktuell, ein Expansion Pack für das erste GTA; ich war jedoch noch zu weit davon entfernt, meine Eltern dazu gebracht zu haben, mir die Installation eines Spiels auf dem Familien-PC zu erlauben, bei dem man Punkte für das Überfahren und Erschießen wehrloser Passanten bekommt.

Es dauerte bis GTA II im Jahr 1999, dass ich meine erste persönliche Begegnung mit dem Franchise machte. Das Demo war auf der der PC Games beigelegten CD zu finden, und da ich meine Eltern inzwischen erfolgreich gebrochen hatte, probierte ich es aus. Es war ein großer Spaß, auch wenn die eigene Spielfigur nach fünf Minuten Spielzeit mit dem freundlichen Hinweis auf die Vollversion automatisch in die Luft gesprengt wurde. Später kaufte ich dann einem Schulkollegen sowohl GTA, als auch die Vollversion von GTA II ab. Ersteres erschien mir rasch obsolet, angesichts der Tatsache, dass der Nachfolger im Wesentlichen das gleiche bot, nur schöner, flüssiger und mit besserer Steuerung.

Wie vermutlich viele andere spielte ich nur relativ wenige Missionen – die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, einfach nur Chaos auszulösen, notfalls mit der Hilfe von Cheat-Codes. Endlich einmal Polizeiautos mit Molotov-Cocktails zu bewerfen – ganz ohne in den Pariser Banlieues aufgewachsen zu sein! – das war schon was. Fast so gut, wie eine Gruppe Elvis-Imitatoren mit dem Panzer zu überrollen, komplett mit ekligen Splattergeräuschen um einem gratulierenden „Elvis has left the building!“-Kommentar des hämischen Off-Sprechers, von dem ich sonst meistens nur die Worte „Wasted!“ und „Busted!“ zu hören bekam (nämlich dann, wenn ich getötet oder verhaftet wurde).

Dies blieb für längere Zeit mein letzter Kontakt mit der GTA-Serie. Als GTA III erschien, hatte ich erstens keinen aktuellen PC bei der Hand, zweitens widerte mich die plötzliche universelle Begeisterung an, die vollkommen auf der Tatsache basierte, dass die Kamera nun nicht mehr von oben herabblickte, sondern hinter dem Protagonisten positioniert war – zu der Zeit mussten Videospiele „in 3D“ sein, sonst waren sie wertlos. Es ist ein bisschen, wie wenn deine Underground-Lieblingsband plötzlich in die Top 10 kommt, weil sie zu einem kommerzielleren Sound gewechselt ist. Jeder kennt dieses Gefühl.

Mein erster Kontakt mit GTA in „3D“ war schließlich Liberty City Stories auf der PSP meines Bruders, und meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ja, es machte eine Zeitlang Spaß, aber dank der frustrierenden Missionen, der Steuerung und des Speichersystems hatte ich bald genug. Genauso bei Vice City Stories. Die Probleme mögen nicht unbedingt größer als bei GTA II gewesen sein, aber inzwischen war das Franchise zum König der westlichen Videospielindustrie aufgestiegen, da durfte man einfach etwas mehr erwarten.

Nächste Woche: How I Learned To Stop Worrying And Love GTA

[Andreas Dobersberger]

Das Sega Master System – Auf ewig im Schatten des NES?

Ich sage es ganz offen: Ich bin ein Master System-Fanboy. Segas 8-Bit-Konsole war neben dem Atari ST mein erster Kontakt mit der Welt der Videospiele und hat bis heute einen festen Platz in meinem Gamer-Herzen. Doch auch ganz objektiv muss ich immer wieder feststellen, dass das Master System im Rückblick sträflich unterschätzt wird. Vor allem in den US-amerikanischen Medien ist es nicht viel mehr eine Fußnote zum alles überragenden Nintendo Entertainment System. Das entspricht zwar durchaus der damaligen Marktrealität – zumindest in den USA -, führt aber langfristig gesehen zu einem etwas einseitigen Kanon, der sich eher aus nostalgisch verklärten Kindheitserinnerungen nährt, als aus tatsächlicher Klasse. Ich bezweifle zumindest, dass hochverehrte Ikonen wie Kid Icarus, Duck Hunt, Castlevania II oder Milon’s Secret Castle tatsächlich bessere Spiele sind als von den meisten Leuten vergessene Master System-Perlen wie Zillion, The Ninja, Fantasy Zone II oder Land of Illusion.

Aber wie schon angesprochen, das hat natürlich erklärbare Gründe. Zum einen wäre da die Tatsache, dass die Spielejournalisten von heute die Kinder und Jugendlichen von damals waren, und in den USA – wo der tonangebende Spielejournalismus der westlichen Welt herkommt – hatte kaum ein Kind in den Achtzigern ein Master System daheim, und wenn, dann war es eher ein trauriger Außenseiter. Das NES war, was man haben musste, am besten gleich zusammen mit einem „Nintendo Power“-Abonnement. Sega begann erst mit dem Genesis (aka Mega Drive) eine wirkliche Rolle im Heimkonsolenmarkt zu spielen. In Japan verhielt es sich ähnlich – das Nintendo Famicom war einfach zu erfolgreich um andere 8-Bit-Konsolen neben sich zuzulassen.

In Europa war das Master System deutlich beliebter, aber das Zentrum seiner Popularität war Brasilien. Dort gab neben exklusiven Versionen der Konsole (wie dem pinkfarbenen „Master System Girl“) auch spezielle Versionen von Spielen in portugiesischer Sprache und mit brasilianische Cartoon-Figuren statt der üblichen Helden. Das bekanntestes Beispiel ist wohl Mônica no Castelo do Dragão – im Grunde ein ROM-Hack von Wonder Boy in Monster Land, in der die Sprites von Wonder Boy und Co. durch Figuren aus dem brasilianischen Comic-Franchise Turma da Mônica ersetzt wurden. In Brasilien werden immer noch neue Versionen des Master Systems auf den Markt gebracht, erst zuletzt erschien etwa das Master System 3, mit 131 eingebauten Spielen.

Wer nicht in Brasilien lebt, aber trotzdem einmal gerne in das relativ unerforschte Land der Master System-Spiele vordringen würde, hat verschiedene Möglichkeiten. Zum einen gibt es hervorragende Emulatoren sowohl für PC als auch für Nintendo DS, und seit einiger Zeit werden Master System-Spiele auch auf der Wii Virtual Console angeboten – auch wenn die Auswahl noch nicht grandios ist. Ansonsten gibt es natürlich immer noch eBay. Vor allem das redesignte Master System II ist relativ leicht zu finden. Eine besonders praktische Lösung ist der Master System Converter für das Mega Drive, der dieses komplett rückwärtskompatibel mit allen Master System-Spielen macht.

Was empfehlenswerte Software betrifft sei für den Einstieg – neben den oben bereits genannten Titeln – verwiesen auf die Wonderboy-Reihe (vor allem das hervorragende Metroidvania Wonderboy III: The Dragon’s Trap), das bahnbrechende RPG Phantasy Star, die Arcade-Ports von Shinobi, R-Type, Bubble Bobble und Out Run, die Sega-Version von Ninja Gaiden und natürlich die Sonic-Spiele, die vielleicht nicht den Geschwindigkeitsrausch ihrer Mega Drive-Geschwister bieten, jedoch nichtsdestotrotz tolle Jump-and-Runs sind. Aber zum Thema Master System-Perlen werde ich mich an der Stelle gewiss noch das ein oder andere Mal zurückmelden.

[Andreas Dobersberger]

Day of the Tentacle: LucasArts‘ finest hour

Vor einigen Tagen habe ich zum schätzungsweise tausendsten Mal LucasArts‘ Klassiker Day of the Tentacle aus dem Jahr 1991 durchgespielt. Wer das Spiel (sträflicherweise) nicht kennen sollte oder schon wieder vergessen hat: In diesem im Stil eines verrückten Sonntagmorgen-Cartoons inszenierten Point-and-Click-Adventure von Tim Schafer und Dave Grossman steuert man drei Jugendliche durch ein riesiges Familienanwesen um ein mutiertes Tentakel an der Übernahme der Weltherrschaft zu hindern.

Dabei bewegen sich alle drei zwar durch das gleiche Haus, aber – durch einen Unfall mit einer Zeitmaschine, man kennt das ja – in drei unterschiedlichen Zeiten: Über-Nerd Bernard in der Gegenwart, Metal-Roadie Hoagie 200 Jahre in der Vergangenheit und Medizinstudentin Laverne 200 Jahre in der Zukunft. Um schließlich doch noch ans Ziel zu gelangen, muss man sich als Spieler kräftig der Macht der Zeit-Paradoxa bedienen.

Natürlich kann ich die Rätsel mittlerweile im Schlaf lösen und den Großteil der Dialoge mitsprechen, aber trotzdem: Umso öfter ich dieses Spiel spiele, desto mehr weiß ich es zu schätzen. Ich wage zu behaupten, dass es sich – wenn ich mich entscheiden müsste – um das beste Point-and-Click-Adventure der Videospielgeschichte handelt.

Ich will damit nicht sagen, dass es sämtliche anderen Genrevertreter in allen Bereichen übertrifft. Die Monkey Island-Reihe und Sam and Max: Hit the Road haben den weit größeren Wortwitz, und sowohl Maniac Mansion als auch die Indiana Jones-Adventures bieten einen höheren Wiederspielwert. Aber: Das zentrale Gameplay-Element eines Adventures sind die Rätsel, und dieser Hinsicht kann Day of the Tentacle kaum jemand das Wasser reichen.

Das Rästeldesing wirkt in seiner Straffheit, Strenge und Eleganz eher japanisch als westlich inspiriert. Es gibt einen einzigen, fest vorgegebenen Weg durch das Spiel, aber stets eine Vielzahl an möglichen Anknüpfungspunkten, so dass man sich als Spieler nie frustriert oder eingeengt fühlt. Konkret: Es gibt zu jedem Rätsel genau eine Lösung, aber die Reihenfolge, in der die Rätsel gelöst werden können, ist dem Spieler über weite Strecken selbst überlassen. Dabei wird es nie unübersichtlich, da sich ja im Grunde alles in einem Haus abspielt (das noch dazu sehr kompakt aufgebaut ist). Und vor allem: Die Rästel machen Spaß. Keines von ihnen ist einfach nur ein Hindernis; sie sind durchgehend inspiriert, kreativ und originell, erzählen oft ihre eigenen Geschichten oder sind schlicht Gags für sich. Was beispielsweise das Design der US-Flagge mit der Erlangung eines Tentakelkostüms zu tun hat, muss man einfach selbst erlebt haben.

Gleichzeitig hat das Spiel eine sehr kontrollierte Struktur: Es beginnt recht simpel und auf beschränktem Raum, bis es sich Stück für Stück mehr und mehr öffnet und so stets motivierend bleibt. Auf dem Höhepunkt seiner Offenheit bekommt der Spieler wiederum für jeden der drei Charaktere ein konkretes Ziel vorgesetzt, aus dem sich jeweils ein letztes großes, mehrteiliges Rätsel ergibt, bevor alle Stränge zusammenlaufen und ein kurzes, fokussiertes Finale folgt. Das hat sich nicht zufällig ergeben; es ist die Arbeit von Leuten, die genau gewusst haben, was sie tun. Würde man die Rätselstruktur des Spiels mittels Diagramm auf einer großen Tafel aufzeichnen (was Schafer und Grossman im Zuge der Erstellung des Design Documents gewiss getan haben), man hätte ein perfekt durchkomponiertes Kunstwerk vor sich.

Natürlich kann man Day of The Tentacle noch in vielen anderen Bereichen loben. Grafik, Animationen und Musik sind etwa herausragend. Aber seine größte Stärke, durch die das Spiel heute noch genau so viel Spaß macht wie vor 18 Jahren, liegt im phänomenalen Rätseldesign. Jeder, der heute ein Adventure schreiben möchte, sollte sich erst einmal hinsetzten und dieses Spiel gründlich studieren.

[Andreas Dobersberger]