Dynamite Men: ein Bomberman-Klon in QBasic

Die ein oder andere Version von Bomberman hat ja wohl jeder schon einmal gespielt. Bis heute wird der Klassiker aus dem Jahr 1983 immer und immer geportet und neu aufgelegt, ich wage es nicht zu schätzen, wie viele Iterationen tatsächlich offiziell und inoffiziell existieren. Ich kann aber, denke ich, behaupten, dass meine Lieblingsversion zu den obskursten zählt, die es gibt.

Sie ist als Dynamite Men bekannt (auch wenn „bekannt“ vielleicht das falsche Wort ist) und wurde möglicherweise von einem Individuum mit dem Pseudonym Hung programmiert. Die Plattform? QBasic.

QBasic ist ein von Microsoft entwickelter BASIC-Interpreter, der eine Zeitlang bei DOS und Windows mitgeliefert wurde, und mit dem somit viele ihre ersten Programmiererfahrungen gesammelt haben. (Ich selbst übrigens auch – als ich 13 war, war QBasic für mich das so ziemlich Aufregendste auf der Welt.) Wie der Name schon sagt, ist BASIC, und gerade QBasic, als Programmiersprache aber langfristig in ihren Möglichkeiten begrenzt und mehr als Einstieg gedacht.

Trotzdem gibt es natürlich Leute, die beeindruckende Dinge damit zustandegebracht haben – und das beeindruckendste QBasic-Programm, das ich persönlich kenne, ist Dynamite Men. Nicht nur progammiertechnisch hat es meine Vorstellungen davon, was mit QBasic möglich ist, überschritten, auch für Gamedesign hat die Person, die das Spiel entwickelt hat, offensichtlich ein Gefühl gehabt. Natürlich ist es eine Kopie eines im Grunde existierenden Spiels, aber auch auf die kleinsten Feinheiten wurde wertgelegt.

Dynamite Men ist ein voll funktionaler Bomberman-Klon in stilvoller, prächtig animierter VGA-Grafik. Es gibt sowohl einen Singleplayer-Modus mit mehreren Levels und verschiedenen Gegnertypen als auch einen Multiplayer-Modus, in dem bis zu vier Spieler gleichzeitig gegeneinander antreten können, und sogar die Möglichkeit KI-Gegner und bis zu drei Spieler zu kombinieren. Im Spiel selbst gibt es eine beeindruckende Anzahl an Extras, wie Bomben, die auf Knopfdruck gezündet werden können statt nach einer festgelegten Zeit, Hämmer, die es erlauben, Blöcke zu bauen (um sich zu schützen oder an neue Extras zu gelangen) oder Raketenwerfer mit zielsuchenden Raketen.

Mein liebstes Detail ist wahrscheinlich die Tatsache, dass jeder Spieler über eine Health-Bar verfügt; Dynamite Men ist die einzige Bomberman-Version die ich kenne, in der man nicht nach einem Treffer erledigt ist. Das ermöglicht meiner Meinung nach viel spannendere, hitzigere und strategischere Gefechte.

Ich kann für die Qualität des Spiels vor allem auch deshalb bürgen, weil ich es seit fast zehn Jahren immer wieder gern spiele – und nicht nur ich: An unserem Klassen-PC gab es damals Pause für Pause begeisterte Vierspieler-Partien. Bis Dynamite Men schließlich als offizielles Pausenspiel in unserer Klasse abgelöst wurde von einem kleinen Freeware-Game namens Liero. Aber das ist eine andere Geschichte…

Wer Dynamite Men heute spielen will: Man kann es zwar unter anderem hier herunterladen, der Haken ist aber, dass man den QBasic-Interpreter braucht, um es zum Laufen zu bringen (und obendrein noch DOSBox, um diesen wiederum zum Laufen zu bringen…). Für QBasic gibt es nämlich keinen Compiler (um ausführbare EXE-Dateien zu erzeugen). Tja, Kids, so ging’s uns damals eben, uns wurde nix auf dem Silbertablett serviert!

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Late to the Party: Planescape: Torment

Vor ein paar Tagen habe ich endlich wieder einmal angefangen, Planescape: Torment zu spielen, Black Isles CRPG-Klassiker aus dem Jahr 2000. Mal sehen, wie weit ich diesmal komme, bis ich aufgebe. Nicht, dass es kein gutes Spiel wäre – im Gegenteil: Ich finde, es ist ein fantastisches Spiel, und ich verstehe jeden, der es als eines der besten RPGs überhaupt bezeichnet. Aber irgendwie ist mir das Szenario etwas zu eintönig und deprimierend; alles ist entweder braun, grau oder grün, die ganze Welt sieht aus, als wäre sie gerade ausgerotzt worden. Natürlich verstehe ich den Sinn dahinter bzw. die Gründe dafür, aber im Hinterkopf habe ich doch ständig die (farben-)prächtigen Welten der Baldur’s Gate-Saga. So bin ich eben, ich mag meine Videospiele farbenfroh und visuell abwechslungsreich.

Hinzu kommt, dass mich der Schwierigkeitsgrad nervt. Für ein Spiel, dass seinen Fokus auf Story und Dialogen hat, sind die Kämpfe ganz schön hart. Das wäre an sich kein so großes Problem, Baldur’s Gate war teilweise viel schwieriger, aber in Planescape: Torment kann ich in Dungeons nicht rasten, und das macht mich wahnsinnig. In der Tat habe ich noch keinen einzigen Platz im ganzen Spiel gefunden, in dem der „Rest“-Button zur Verwendung hätte kommen dürfen. Natürlich, ich kann in Gasthäusern schlafen, aber jetzt hänge ich in den Katakomben fest, und um in die Stadt zurückzukommen, müsste ich entweder tiefer vordringen, was ich nicht kann, weil meine PCs so gut wie keine Hitpoints mehr haben, oder umkehren, aber dazu müsste ich eine Wache am Tor bestechen, und ich weigere mich, fünfzig Kupfermünzen für einmal Rasten zu zahlen.

Dass die Hauptfigur sterben kann, so oft sie will, nützt mir in dem Fall auch wenig, da ich in dem Fall nur an den Anfang des Dungeons zurückgesetzt werde und vor allem meine Begleiter noch immer bei ein bis zwei Hitpoints stehen. Vielleicht muss ich doch einfach meine Health Potions einsetzen, aber ich bin nun einmal die Sorte Spieler, die sich alle Items „für Notfälle“ aufspart und am Ende des Spiels mit 500 ungebrauchten Potions dasteht.

Rein subjektive Probleme, wie gesagt. Ich komme schon drüber hinweg. Auf der anderen Seite ist Planescape: Torment ein RPG von seiner besten Seite, mit einer Tiefe und Flexibilität wie sie heute eigentlich nicht mehr vorkommen, auch nicht in Fallout 3 oder Mass Effect, die nun einmal mit Xbox 360-Besitzern im Hinterkopf programmiert werden mussten (nichts für ungut, Xbox 360-Besitzer). Teilweise fühlt sich Torment fast ein bisschen wie Interactive Fiction an, was natürlich nicht nur an den zahlreichen Handlungsmöglichkeiten liegt, sondern auch vor allem daran, dass es irrsinnig viel gut geschriebenen Text zu lesen gibt (das Skript ist um die 800 000 Wörter lang).

Faszinierend auch die große Anzahl an Fan-Patches und -Mods, die dem heutigen Spieler erlaubt sich quasi seine ganz eigene Version des Spiels zusammenzustellen. Zuallererst gibt es Fixpatches, die schlicht Bugs beheben (teilweise aber auch „Balancing-Probleme“, was mir persönlich wieder nicht so gefällt). Dann gibt es Patches, die Inhalte wiederherstellen, die aus der Verkaufsversion des Spiels herausgeschnitten wurden (das geht bis zu ganzen Quests und vertonten Dialogen). Weiters gibt es solche Patches, die das Interface an persönliche Wünsche anpassen, oder auch die Darstellung: So ist etwa das Widescreen-Mod sehr beliebt, das es auch ermöglicht, in höheren Auflösungen zu spielen. Das hat auch den Effekt, dass Planescape: Torment auch für heutige Verhältnisse noch fantastisch aussieht (persönliche Probleme mit der Farbpalette hin oder her).

Ich werde auf jeden Fall weiterspielen, auch wenn die Zeichen nicht unbedingt gut stehen, dass ich es bis zum Ende schaffe (ein neues Uni-Semester steht vor der Tür, und mein Laptop scheint auch bald seinen Geist aufzugeben). Aber vielleicht komme ich wenigstens noch aus diesen verdammten Katakomben raus.

Der Sonic-Kreislauf des Verderbens

Vergangene Woche hat Sega einen Teaser-Trailer für ein neues Sonic the Hedgehog-Spiel in 2D veröffentlicht – der berühmte Sonic-Kreislauf des Verderbens hat wieder von Neuem begonnen. Jedesmal ist der Ablauf gleich: Sega kündigt einen neuen Sonic-Titel an und verspricht, dass diesmal alles anders wird, eine „return to form“. Das hypebesessene Internet glaubt diesen Versprechungen auf der Stelle und flippt aus. Mit der Zeit trudeln Gameplay-Konzept, Screenshots und Videos ein, die Leute beginnen skeptisch zu werden. Big the Cat ist zurück? Sonic verwandelt sich in einen Werwolf? Es gibt minutenlange, peinliche Dialogszenen? Schließlich erscheint das Spiel dann und ist entsetzlich. Vielleicht eine klitzekleine Spur weniger entsetzlich als das davor, aber immer noch entsetzlich. Und die Gamer-Community ist sich einig: Jetzt ist endgültig Schluss! Zu oft sind wir auf Segas Versprechungen hereingefallen! Nie wieder! Aber das Internet hat bekanntlich ein kurzes Gedächtnis, und ein paar Monate später ist es soweit: Sega kündigt einen neuen Sonic-Titel an und verspricht, dass diesmal… (Fortsetzung siehe oben).

Die Menschen wollen einfach glauben, und der Grund dafür ist simpel: nostalgische Erinnerungen an eine Zeit, in der Sonic noch nicht die Witzfigur der Videospielwelt war, sondern ein Garant für Qualität – schnelles, spaßiges Gameplay, raffiniertes Leveldesign, fantastische Musik. Ja, Anfang der Neunziger, da war die Welt noch in Ordnung!

Alles begann damit, dass Sega ein Maskottchen entwickeln wollte, das es Nintendos Mario entgegensetzen konnte. Allerdings sollte es sich auch vom knuffigen, universalen Mario unterscheiden, sollte radikaler sein, cooler, schneidiger, ganz im Geist popkulturellen Atmosphäre der Zeit. Das Ergebnis war „Sonic, der wirklich coole Igel mit seinem Bürstenschnitt und Power-Laufschuhen, mit denen er eine Supergeschwindigkeit erreicht“ – zitiert nach der Spielanleitung von Sonic The Hedgehog, 1991 für das Sega Mega Drive erschienen.

Hinter dem Marketingkonzept verbarg sich aber tatsächlich ein großartiges, innovatives Spiel, das sich natürlich zu einem Großteil durch seine Geschwindigkeit ausgezeichnet hat (es macht großen Spaß, durch Loopings und über Rampen zu sausen), aber nicht ausschließlich, wie man es heutzutage zu glauben scheint. Ein ganz wichtiger Aspekt war das offene Leveldesign. Ein typischer Mario-Level ging wie ein Schlauch von links nach rechts, während Sonic-Levels riesige Areale waren, Spielplätze gewissermaßen, die verschiedenste Pfade zur Durchquerung boten. So hatte man immer die Wahl: Sucht man die schnellstmöglichste Route und baut auf einen hohen Zeitbonus oder erforscht man jede Ecke des Levels und häuft Ringe, Punkte und Extras an?

Die Ringe waren ein weiteres geniales Konzept. Wie die Münzen bei Mario brachten sie Punkte und hundert von ihnen ein Extraleben ein, aber hier dienten sie zusätzlich noch als Lebensretter. Wurde man getroffen, hatte aber Ringe gesammelt, so starb man nicht, sondern verlor erst seine Ringe, die dann tatsächlich in alle Richtungen davonflogen (und von denen man dadurch meistens ein paar wieder aufsammeln konnte). Das hieß auf der einen Seite, dass man nicht getroffen werden durfte, wenn man eine hohe Punktzahl oder Extraleben verdienen wollte, auf der anderen Seite konnte man aber so viele Treffer einstecken, wie man wollte, solange man es schaffte, immer wieder zumindest einen Ring einzusammeln. Das minimierte das Frustpotenzial für Leute, die einfach nur überleben wollten, stellte aber gleichzeitig eine Herausforderung für Highscore-Jäger dar.

Aber Sonic The Hedgehog hatte auch Schwächen, wie etwa die Labyrinth Zone, eine Reihe verwinkelter Unterwasser-Levels, die zu durchqueren langsam und mühsam war, und somit eigentlich der ganzen Grundidee des Spiels entgegenstand. Oder auch die im Vergleich zu den jüngeren Mario-Spielen geringe Anzahl an Power-Ups und geheimen Überraschungen, die das Geschehen mit der Zeit etwas eintönig machte und wenig zum Erforschen der Levels motivierte.

Über die direkten Nachfolger – die teilweise einige Schwächen durch sinnvolle Detailverbesserungen ausmerzen konnten, aber am grundsätzlichen Erfolgsprinzip glücklicherweise nichts veränderten – spreche ich ein anderes Mal. Erst darunter finden sich nämlich die Spiele, die von den meisten als die besten der Serie bezeichnet werden: Sonic CD, Sonic The Hedgehog 2 und Sonic 3 & Knuckles. Ach ja, das Goldene Zeitalter. Lange, lange ist es her.

Mein Lieblings-FPS: No One Lives Forever

Denkt man an First-Person-Shooter, so denkt man an glatzköpfige Space Marines in futuristischen Kampfanzügen, grau-braune Texturen, fremde Planeten und Raumstationen oder alternativ an Kriegsschauplätze des 20. Jahrhunderts. Woran man höchstwahrscheinlich nicht denkt, sind bunte Farben, schrullige Charaktere, originelle Ideen, Humor, Charme und Wortwitz. Monoliths The Operative: No One Lives Forever jedoch ist ein FPS mit genau diesen Eigenschaften.

Im Jahr 2000 für den PC erschienen erntete es Höchstwertungen von allen Seiten, wurde als das beste FPS seit Half-Life bezeichet und sicherte sich seinen Platz im Genre-Pantheon – so schien es; in Wirklichkeit ist No One Lives Forever heute größtenteils in Vergessenheit geraten – ein Geheimtipp oder Kultklassiker, wenn man so will, von Kennern geschätzt, aber nicht im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Vielleicht hat der verhunzte PS2-Port (ohne Quicksave-Funktion!) den Ruf des Spiel ruiniert.

Aber zum Spiel selbst: Es handelt sich um eine knallbunte James Bond-Parodie im Stil von Austin Powers oder der Casino Royale-Verfilmung von 1967, mit unverkennbaren Einflüssen auch von Modesty Blaise und Mit Schirm, Charme und Melone. Das Szenario sind die Swinging Sixties, und der Spieler übernimmt die Rolle der Geheimagentin Cate Archer, die früher eine professionelle Diebin war, nun aber auf die Seite des Gesetzes gewechselt ist und für die Organisation UNITY arbeitet. Als einzige Frau in UNITY muss sie sich den Respekt ihrer Vorgesetzten hart erkämpfen, und bekommt Gelegenheit dazu, als eine terroristische Organisation namens H.A.R.M. sich als ernsthafte Bedrohung herausstellt. Unter anderem ist in Anführer Dimitri Volkov für den Mord an Cates Freund und Mentor Bruno Lawrie verantwortlich (der wohl nicht zufällig stark an Sean Connery erinnert).

Eines der Hauptziele der Entwickler war es, die Fähigkeiten ihrer hauseigenen Lithtech-Engine zur Schau zu stellen, und das Ergebnis ist eines der abwechslungs- und einfallsreichsten Spiele aller Zeiten: Man rettet Touristen in Marokko, rast mit einem Schneemobil durch die Alpen, nimmt an einer Schießerei in einem schicken Nachtclub teil, kämpft im freien Fall aus einem Flugzeug um einen Fallschirm, duelliert sich mit einer wildgewordenen Opernsängerin, schleicht durch feindliche Basen, führt Verhöre durch, befreit Wissenschaftler, wird unter Wasser von Haien gejagt, fliegt mit einer Rakete auf eine Weltraumstation und kämpft in der Schwerelosigkeit… Mit dem, was in No One Lives Forever steckt, hätte man locker fünf Spiele dieser Art füllen können. Es macht einfach Riesenspaß, und an jeder Ecke erwarten den Spieler witzige Details, wie wenn etwa ein Händler in Marokko wiederholt versucht, einem HARM-Agenten einen Affen zu verkaufen („I said I don’t want a monkey!“ – „Why not?“ – „BECAUSE I DON’T LIKE MONKEYS!“).

Obendrein verfügt Cate Archer nicht nur über ein gewaltiges Arsenal an Shooter-typischen Waffen, sondern auch über eine Vielzahl an Gadgets: vom explodierenden Lippenstift über eine Sonnenbrille mit eingebauter Fotokamera bis hin zum Roboterpudel, der Wachhunde besänftigt.

Im Jahr 2002 veröffentlichte Monolith einen Nachfolger, No One Lives Forever 2: A Spy in H.A.R.M.’s Way – ebenfalls ein sehr gutes Spiel, das dem Gameplay interessante und motivierende Rollenspielelemente hinzufügte, aber doch kein Vergleich zum ersten Teil war, was Story, Humor, Charaktere und Einfallsreichtum betrifft. Dieser bleibt, zusammen vielleicht noch mit Bioshock, mein liebster First-Person-Shooter aller Zeiten.

Videospiele und Geschichtsbewusstsein

Wir befinden uns in schnelllebigen, konsumorientierten Zeiten, gerade was Videospiele betrifft. Die meisten Leute hätten wohl kein Problem damit, wenn ich hier die Enden von Bioshock und Portal spoile, immerhin sind diese Spiele fast ZWEI JAHRE alt, und wenn einem deren Stories so wichtig sind, warum hat man sie denn dann nicht gleich am Erscheinungstag gekauft?

Auf die Idee, dass der Wert eines Kunstwerks, und sei es nur ein Unterhaltungsprodukt, vollkommen unabhängig ist von der Tatsache ob es heute, vor zwei Jahren oder vor zwanzig Jahren geschaffen wurde, kommen diese Leute auch gerade angesichts der rasanten technischen Entwicklung im Videospielsektor erst gar nicht. Sie haben die kommerzielle Perspektive des Publishers übernommen, dessen Ziel vorrangig hohe Verkaufszahlen in den ersten paar Wochen sind. Dass das Spiel in zehn, zwanzig Jahren noch gespielt wird, ist dem Publisher in dieser Hinsicht völlig egal, ja, es ist sogar unerwünscht, man blicke hierzu etwa auf die Praxis, über DRM die maximale Anzahl an möglichen Installationen zu beschränken.

Irgendwie ist es eine bizarre und ironische Situation, dass diejenigen, die momentan am meisten für die Erhaltung und Archivierung von Videospielen tun, sich entweder in rechtlichen Grauzonen aufhalten oder von der Industrie als „Bedrohung“ beschimpft werden – oder beides. SNES-Titel auf der Virtual Console oder alte LucasArts-Adventures auf Steam sind einerseits natürlich zu begrüßen, andererseits aber auch viel zu halbherzige Schritte. Her mit den kompletten Backkatalogen! Warum muss jemand, der Klassiker der Videspielgeschichte wie Earthbound oder Zak KcKracken spielen möchte, entweder Torrentseiten durchforsten oder Sammlerpreise auf eBay bezahlen (beides Dinge, die die Industrie ja verdammt, weil sie daran nichts verdient)? Vermutlich deshalb, weil eventuelle Remakes, Ports, Sequels und Compilations dann weniger profitabel wären. Wenn ich mir diese Situation ansehe, zusammen mit dem zunehmenden Trend, Spiele praktisch zu „mieten“ statt sie zu kaufen, dann gefällt mir das nicht.

Was nämlich angesichts der Konzentration auf kurzfristige Profitmaximierung gerade der zukünftigen kritischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Videospielen hier für Steine in den Weg gelegt werden, sollte einem zu denken geben. Als Filmwissenschaftsstudent schmerzt mich der Gedanke daran, wie viele Filme aus der Frühzeit des Kinos heute für immer verloren sind, schlicht weil man den Film als kulturelles Medium damals nicht ernstgenommen hat, und jetzt beobachte ich quasi live, wie sich die Geschichte mit einer weiteren Kunstform, die mir am Herzen liegt, wiederholt. Und am meisten besorgt mich daran, dass es nicht die Profitorientiertheit der Publisher allein ist, von der diese gefährliche, kurzsichtige Art des Denkens ausgeht – immerhin handelt es sich um Unternehmen, deren Aufgabe die Profitmaximierung ist -, sondern dass dieser gegenwartsfixierte Umgang mit dem Medium, in dem Geschichtsbewusstsein ausschließlich in ironisch-nostalgischer Form existiert, von einem Großteil der Spielepresse und den Spielern selbst geteilt wird.

„Dodge this.“ – Die Welt der Bullet Hell-Shoot‘-em-Ups

Das Shoot-‚em-Up, kurz Shmup, ist eines der ältesten Videospielgenres überhaupt und ist auch heute noch hochlebendig – und damit meine ich nicht nur die Tatsache, dass es noch immer in einem Großteil aller Spiele darum geht, Gegner abzuschießen, sondern ich spreche von Shoot-‚em-Ups in ihrer „klassischen“, zweidimensionalen Form, siehe Ikaruga, Geometry Wars oder Space Invaders Extreme, allesamt gelungene Versuche, frische Ideen und Mechaniken in ein auf den ersten Blick sehr begrenzt wirkendes Genre einzubringen.

Strenggenommen gehören die drei genannten natürlich allesamt eigenen Subgenres an – Ikaruga ist ein „vertical shooter“, Geometry Wars ein „arena shooter“, Space Invaders Extreme ein „fixed shooter“ -, aber auch diese Subgenres sind allesamt uralt.

Ein relativ junges Shmup-Subgenre sind hingegen die „danmaku“- oder „bullet hell“-Shooter. Sie entstanden Anfang der bis Mitte der 1990er und zeichnen sich, wie der Name schon sagt, dadruch aus, dass der Bildschirm mit einer überwältigenden Anzahl feindlicher Geschosse angefüllt wird, durch die der Spieler mittels präziser Bewegungen durchzumanövrieren hat. Das hat unter anderem zwei Effekte: Zum einen ist diese Art von Spiel natürlich extem herausfordernd und daher vor allem beliebt unter Hardcore-Shmup-Fans. Zum anderen ergeben die raffinierten Muster und Farbspiele der Geschosse eine visuelle Poesie und Schönheit, die schon das Zusehen zu einem Erlebnis macht.

Neben den Pionieren des Genres wie Toaplans‘ Batsugun (1993) und Caves Donpachi (1995), gilt heute vor allem die mittlerweile zwölfteilige Touhou Project-Reihe zum Non-Plus-Ultra der „danmaku“-Shmups (diverse Spin-Offs nicht mitgerechnet). Das Spannendste an den Touhou Project-Spielen ist die Tatsache, dass sie allesamt von einer einzigen Person kreiert wurden, einem Japaner namens Junya Ota nämlich, der Angestellter von Taito ist und sich selbst mit dem Pseudonym ZUN bezeichnet. Vom Leveldesign über die Story bis hin zur Spielgrafik, den Illustrationen und der grandiosen Musik stammt alles von ihm allein, und das seit dem Beginn der Reihe mit The Highly Responsive For Prayers im Jahr 1996 auf dem japanischen Computer PC-98 bis zum vor ein paar Tagen erschienenen jüngsten Teil Undefined Fantasy Object für Windows.

Touhou Project ist mittlerweile gerade in Japan zu einem medienübergreifenden Franchise mit einer leidenschaftlichen Fangemeinde geworden. Es gibt jede Menge Spin-Offs wie das Kampfspiel Scarlet Weather Rhapsody oder das ungewöhnliche Shoot The Bullet, das im Wesentlichen wie ein Shmup funktioniert, nur dass das Ziel nicht das Abschießen, sondern das Fotografieren von Gegnern und Geschossformationen ist. Daneben existieren auch Bücher, Mangas, Musikalben, eine gewaltige Anzahl an Fanprojekten und sogar eigene Conventions.

Aber genug der Worte: Hier ein schönes Fan-Video, für alle die jetzt mal sehen wollen, wie so ein Touhou-Shooter denn in der Praxis aussieht.

Atari ST-Erinnerungen (Teil 2)

Eines meiner Lieblingsspiele auf dem ST war Populous, das Ur-„Godgame“, das die bis heute anhaltende Karriere von Peter Molyneux (unter anderem bekannt für Syndicate, Dungeon Keeper, Black & White und zuletzt Fable II) begründete. Wurde dieses Spiel gespielt, konnte man es schon von weitem hören – immerhin bestand das Gameplay zu 95% aus dem Heben und Senken von Land durch hitziges Klicken mit dem Mauscursor, und zusammen mit den recht lauten Knöpfen der ST-Maus ergab das eine Geräuschkulisse, die durchaus an eine Schießerei mit Maschinengewehren erinnerte. Meine Begeisterung als Kind für Populous ging weit genug, dass ich gar eine Brettspielvariante entworden und gebastelt habe.

Populous (also das Videospiel, nicht mein Brettspiel…) ist in meinen Augen ein geniales Spiel der Sorte simpel-und-doch-komplex, das mich jedes Mal wieder süchtig macht, wenn ich damit beginne (so auch zuletzt bei der neuesten Version, auf dem DS). Das Spielprinzip ist wohl vor allem deshalb so fesselnd und befriedigend, weil es ein menschliches Grundbedürfnis anspricht, nämlich Ordnung ins Chaos zu bringen. (Warum ich dieses Grundbedürfnis nie auf meinen Schreibtisch anzuwenden im Stande zu sein scheine, sei dahingestellt.) Das Gameplay ist zeitlos wie das von Tetris.

Etwas später hatten wir ein Spiel auf dem ST, dass ich ebenfalls bis heute liebe, ebenfalls mit genialem, süchtig machendem Spielprinzip und ebenfalls von einem legendären Spieldesigner: Sid Meier’s Railroad Tycoon. Es gibt kaum etwas schöneres, als zwei Städte durch Bahngleise zu verbinden, einen Zug dazwischen hin- und herzuschicken und zuzuhören, wie die Kasse klingelt. Wer’s mir nicht glaubt, kann auf der Homepage zu Sid Meier’s Railroads vorbeischauen, und sich das Original legal, umsonst und ohne Registrierung herunterladen; man sollte nur für den Rest des Tages keine wichtigen Termine mehr eingeplant haben.

Auf dem Atari ST machte ich auch meine ersten Erfahrungen mit Spielen mit 3D-Polygongrafik. Zum einen war da Geoff Crammonds Formula One Grand Prix, natürlich eine großartige Formel 1-Simulation, aber vom Genre her einfach nicht wirklich mein Ding. Die meiste Zeit habe ich versucht, als Geisterfahrer möglichst spektakuläre Crashes zu erzeugen. Das andere Spiel war die Weltraumsimulation Starglider 2. Ich hatte keine Ahnung, worum es in diesem Spiel geht oder was meine Aufgabe war (immerhin war die Anleitung auf Englisch), aber ich hatte trotzdem durchaus meinen Spaß damit. Die Atmosphäre war sehr surreal und fast meditativ, und man konnte einfach von Planet zu Planet fliegen, scheinbar endlose Tunnelsysteme erforschen, gegen Weltraumpiraten kämpfen oder auf die Sonne zufliegen, bis das ganze Bild in einem tollen grafischen Effekt regelrecht dahinschmolz.

Was ich noch nicht erwähnt habe, ist, dass wir für den ST zwei Monitore hatten: einen Farb- und einen Monochrombildschirm. Im Allgemeinen war der Monochromschirm für Anwendungen da und der Farbschirm für Spiele, aber es gab eine Ausnahme: Das Strategie-/Geschicklichkeitsspiel Esprit lief nur auf dem monochromen Monitor. Wenige Leute werden Esprit kennen; selbst das Internet scheint nur wenig darüber zu wissen. Etwas klarer wird das ganze vielleicht, wenn ich dazu sage, dass Esprit der vom Spielprinzip her identische Vorgänger von Oxyd ist. Auch hier kann ich Menschen helfen, die diesen großartigen Puzzle-Klassiker nicht kennen: Die Lösung heißt Enigma und ist hier zu finden – ein umfangreiches Open Source-Remake von so gut wie allen Oxyd-Iterationen auf einmal (inklusive Esprit) und noch mehr.

Wenn ich nichts vergessen habe, dann sind jetzt nur noch drei Sportspiele im weitesten Sinne übrig. Zwei davon drehen sich um Fußball, nämlich Football Manager 2 und Kick-Off, mit beiden habe ich mich relativ wenig beschäftigt. Richtig viel Freude hingegen hatte ich an Epix‘ Winter Games, sei es am entspannenden Schifahren durch schön gezeichnete Winterlandschaften im Biathlon oder am Eiskunstlaufen zu Tschaikowskis Schwanensee-Thema.

Leider habe ich den ST von früher nicht mehr, genausowenig wie die Spiele. Aber immerhin habe ich einige Anleitungen und Goodies aufgehoben, wie Henry Jones‘ Tagebuch, das Indiana Jones and the Last Crusade beigepackt war. Und außerdem gibt es ja Emulatoren wie Steem. Nur das Klickgeräusch der Maus und das Summen des Diskettenlaufwerks – diese Dinge gehen einem schon ab.

Atari ST-Erinnerungen (Teil 1)

Zwei Geräte waren es, die mich in jungen Jahren in die Welt der Videospiele eingeführt haben: Das Sega Master System und der Atari ST. Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, was ich zuerst kennengelernt habe – immerhin war ich schätzungsweise vier bis fünf Jahre alt – aber beide haben mich von Anfang an grenzenlos begeistert.

Über das Master System habe ich an dieser Stelle bereits mehrmals ausführlich gesprochen, deshalb erzähle ich heute einmal von meinen Erfahrungen mit dem guten alten Atari ST.

Der Grund, warum wir überhaupt einen ST im Haus hatten und nicht etwa einen Amiga oder Macintosh, waren die besonderen MIDI-Fähigkeiten des Computers, die mein Vater fürs Muzieren im privaten Studio zu nutzen wusste. Nichtsdestotrotz hatten wir eine auch rückblickend betrachtet ziemlich schöne Auswahl an Spieleklassikern zu Hause. Immerhin waren meine Eltern Power Play-Leser, wussten also, was gut ist…

Das allerwichtigste Spiel war für mich Indiana Jones and the Last Crusade, mein erstes Lucasfilm Games/LucasArts-Adventure, aber auch darüber habe ich schon genug gesagt. Mit Dungeon Master lernte ich mein erstes Rollenspiel kennen, und im Rückblick muss ich sagen, dass das bestimmt ein sehr guter Einstieg war. Immerhin war der wegweisende First-Person-Dungeon-Crawler damals ein Musterbeispiel an Benutzerfreundlichkeit und Immersion gleichzeitig. Und die Mumien, Screamers und sonstige Ungeheuer, die im Dungeon lauerten, haben mich damals im wahrsten Sinne des Wortes das Fürchten gelehrt.

Ich kann mich nur an ein Spiel erinnern, das mir als Kind damals mehr Angst gemacht hat: Chrono Quest. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen geheimnisvollen Vorgänger der Sqare-RPGs Chrono Trigger und Chrono Cross, sondern um ein obskures Point-and-Click-Adventure von Psygnosis aus dem Jahr 1988, in dem man mit einer Zeitmaschine durch verschiedene Epochen der Weltgeschichte reist, um den Mörder seines Vaters zu finden. Es war kein besonders gutes Adventure was das Gamedesign betrifft (in der Tat machte es so ziemlich all die klassischen Genre-Fehler, die Lucasfilm Games‘ Maniac Mansion ein Jahr zuvor so exemplarisch ausgemerzt hatte), aber Grafik, Musik und Atmosphäre waren fantastisch. Noch heute rinnt mir ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich an die gruseligen Musikstücke denke.

Wo wir bei obskuren Spielen sind: Ein Spiel, dass ich nur heimlich spielen konnte, weil es mir meine Eltern verboten hatten, war Hostages, in dem man die Rolle einer Anti-Terror-Spezialeinheit übernahm, die eine Geiselnahme in einer Botschaft beenden sollte. Der geringe Bekanntheitsgrad von Hostages verwundert mich heute etwas, angesichts dessen auf wie vielen Systemen es insgesamt erschienen ist, so sogar auf dem NES unter dem Titel Rescue: The Embassy Mission. Meine Vermutung ist, dass es doch relativ viele Leute kennen, die diversen Namensgebungen auf unterschiedlichen Systemen und in verschiedenen Teilen der Welt allerdings nicht gerade der kollektiven Gedächtnisbildung zuträglich waren. Andererseits: Vielleicht war es auch einfach kein wahnsinnig bemerkenswertes Spiel. Im Grunde bestand es aus drei kurzen Abschnitten: einem Side-Scrolling-Level, in dem man Suchlichtern ausweichen musste, einem Abschnitt, in dem man sich vom Dach abseilen und durch die Fenster snipern konnte und zuguter Letzt einem First-Person-Part, in dem man das Gebäude nach Terroristen und Geiseln durchsuchte. Insgesamt war alles an dem Spiel sehr solide und der letzte Teil ist eine interessante, frühe Vorwegnahme des Ego-Shooter-Genres, aber es war praktisch eben doch in zehn Minuten durchgespielt.

Soviel für heute, nächste Woche werde ich etwas weiter in meinen Atari ST-Erinnerungen wühlen und dabei noch den ein oder anderen richtigen Klassiker ausgraben.

Snake? Snake!?! SNAAAAAAAAAKE!!!

Dieser Tage haben ein paar Freunde und ich ein Metal Gear Solid-Wochenende veranstaltet, mit dem Vorsatz zumindest Teil 1 bis 3 durchzuspielen – vielleicht auch noch Teil 4. In der Praxis haben wir es dann insgesamt bis zur Hälfte des zweiten Teils geschafft, immerhin!

Als Spiel aus der PlayStation-Ära ist Metal Gear Solid natürlich nicht besonders gut gealtert, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an die niedrige Polygonanzahl und die verpixelten Texturen. Zugute halten muss man dem Spiel, dass es visuell größtenteils konsistent ist: Vorgerenderte Sequenzen gibt es nicht, so gut wie alles wird mit der In-Game-3D-Engine dargestellt; dann gibt es noch die Codec-Konversationen mit gezeichneten Charakterportraits und sehr selten eingestreute „dokumentarische“ Filmschnipsel, wenn etwa eine Figur über ein Atomwaffenprogramm spricht. Wenn ich da an Final Fantasy VII denke, in dem es neben der In-Game-Grafik noch zwei verschiedene Arten von Rendersequenzen gab und somit insgesamt drei optisch komplett unterschiedliche Arten von Charaktermodellen, zudem die Kombination von vorberechneten Hintergründen und Polygonfiguren und -gegenständen, dann weiß ich die Ästhetik in Metal Gear Solid durchaus zu schätzen.

Über das Voice Acting hingegen braucht man nicht zu diskutieren – dieses war gerade für die damalige Zeit beispielhaft, zumindest was englische Version betrifft. Ich kenne das japanische Original nicht, habe aber dank YouTube die Untiefen der deutschen Version kennengelernt… Autsch. Gottseidank gab’s ab Teil Zwei nur noch Untertitel. In jedem Fall sind die Figuren von Metal Gear Solid auch unabhängig von ihren Stimmen unvergesslich, vom Helden Solid Snake über die immer ein Sprichwort parat habende Mei Ling bis hin zum graubärtigen Revolver Ocelot.

Aber was Metal Gear Solid als Videospiel erst wirklich interessant macht, sind eigentlich weniger Story und Charaktere, die – sind wir uns ehrlich – eher durch ihren Camp-Faktor begeistern als durch irgendetwas anderes, sondern durch die Fülle an spannenden und abwechslungsreichen Gameplay-Ideen, gerade in den zahlreichen Boss-Kämpfen. Wer kennt nicht die legendäre, vierte-Wand-durchbrechende Begegnung mit Psycho Mantis, der durch seine Gedankenkräfte im Stande ist, die Controller-Eingaben des Spielers zu lesen – und die Lösung für das Problem, nämlich einfach den Controller auszustecken und in den zweiten Controllerport zu stöpseln.

Ach ja, und diese ganze Stealth-Sache gibt es da auch noch. Nur neu war die auch damals (1998) natürlich nicht, immerhin war selbst die Metal Gear-Reihe zu dem Zeitpunkt schon über zehn Jahre alt. Darum nutze ich die Gelegenheit lieber, um noch einmal auf Metal Gear: Ghost Babel (auch bekannt als schlicht Metal Gear Solid) für den Game Boy Color hinzuweisen: Wer sein Metal Gear mit mehr Gameplay und weniger Zwischensequenzen mag, aber trotzdem nicht auf eine moderne Designphilosophie verzichten will, ist hier goldrichtig.

[Andreas Dobersberger]

Dragon Quest – das essentielle JRPG

Vorletzten Samstag ist Dragon Quest IX in Japan erschienen und wurde bereits in den ersten zwei Tagen über zwei Millionen Mal verkauft. Das ist natürlich eine spektakuläre Zahl, aber auch nicht wirklich überraschend. Dragon Quest ist die mit Abstand bekannteste und beliebteste Videospielserie überhaupt in Japan, und noch dazu ist der neueste Teil auf dem Nintendo DS erschienen, der gerade auch dort extrem verbreitet ist. Und auch die Kritiker scheinen begeistert: In der Famitsu wurde Dragon Quest IX mit 40/40 die Höchstwertung verliehen, die in der über zwanzigjährigen Geschichte des Magazins gerade einmal zehn Spiele erreicht haben.

Im Westen ist die Dragon Quest-Serie im Vergleich dazu fast soetwas wie ein Nischenprodukt; an den Erfolg von Final Fantasy konnte Dragon Quest hier nie anschließen. Viele Spieler lehnen es gar ab, und dabei hört man oft ähnliche Argumente: Die Serie hätte sich seit dem ersten Teil nicht weiterentwickelt, jedes Spiel sei gleich; das Spiel sei höllisch schwer, und das Gameplay basiere auf stundenlangem Level-Grinding; Story und Szenario seien kaum vorhanden, und zudem langweilig und unoriginell.

Zum Thema „nicht weiterentwickelt, jedes Spiel sei gleich“: Es stimmt, dass es wohl kaum eine Videospielserie gibt, in der Tradition so wichtig und so fest verankert ist. Auch im Dragon Quest IX tauchen Musik und Soundeffekte aus dem ersten Teil wieder auf, und natürlich auch die ikonischen Slimes als Anfangs-Gegner. Als sich das Spiel noch in Entwicklung befand und Square Enix ankündigte, man habe vor, von den traditionellen rundenbasierten Kämpfen auf ein actionbasiertes Echtzeitkampfsystem (im Stil von Secret of Mana) zu wechseln, gab es einen nationalen Aufschrei in Japan, und die Entwickler wechselten wieder auf das alte System zurück.

Der Erfolg von Dragon Quest hat nun einmal viel mit Tradition und Nostalgie zu tun. Wie wichtig Traditionen in der japanischen Gesellschaft sind, brauche ich wohl niemandem erzählen, der sich auch nur halbwegs einmal mit dem Land beschäftigt hat. Dragon Quest ist eine verlässliche Konstante in einer sich scheinbar ständig abwärts bewegenden Welt – und ein Flashback in die 80er-Jahre, eine Zeit in der die japanische Wirtschaftkraft unbesiegbar schien, und in der man vielleicht sogar vor dem Famicom saß und seine ersten Erfahrungen mit Videospielen sammelte.

Außerdem finden sich sehr wohl neue und interessante Ideen in jedem der Spiele, sei es die innovative Kapitelstruktur in Dragon Quest IV, die Fähigkeit Monster zu zähmen in Dragon Quest V oder etwa die Multiplayerkomponente in Dragon Quest IX.

Was Schwierigkeitsgrad und Grinding betrifft: Falsch. Dragon Quest ist viel benutzerfreundlicher und um einiges weniger frustrierend als etwa Final Fantasy. Das ist eine weitere Zutat zum Erfolgsrezept: Man kann in Dragon Quest nicht verlieren. Jeder kann das Spiel durchspielen, solange er es versucht. Beispiel: Ein komplexes, schwieriges Dungeon ohne Speicherpunkt. Man kämpft sich durch und scheitert schließlich beim Boss. In Final Fantasy erscheint die Nachricht „Game Over“, in anderen Worten „Gratuliere, du hast gerade eine Stunde für nichts verschwendet“. In Dragon Quest wird man am letzten Speicherpunkt wiederbelebt, verliert zwar die Hälfte seines Goldes (dessen Großteil man aber zuvor sowieso sicher in einer Bank verwahrt hat), behält jedoch all seine Erfahrungspunkte und Ausrüstung. Wenn man das Dungeon also jetzt ein zweites Mal in Angriff nimmt, ist es schon kein Vergleich mehr zum ersten Mal.

Um auch beim „Story und Szenario“-Streitpunkt wieder Final Fantasy als Vergleich heranzuziehen: Danke, aber ich ziehe die einfache, ehrliche, bescheidene und charmante Präsentation, Story- und Charakterzeichnung in Dragon Quest dem lächerlich-prätentiös-überladen-wirr-pathetisch-pseudotiefgründigen Schmus vor, den ich etwa im so hochgeschätzten Final Fantasy VII vorfinde…

Also: Gebt Dragon Quest eine Chance. Auf dem DS gibt es zwei fantastische Remakes des vierten und des fünften Teils; gerade der fünfte Teil gilt als eines der definitiven 16-Bit-JRPGs aller Zeiten, gleichberechtigt neben Chrono Trigger und Final Fantasy VI. Und natürlich gibt es den wunderschönen achten Teil auf der PS2.

[Andreas Dobersberger]