Was LucasArts, Sierra und die Bank Austria gemeinsam haben

Ein Phänomen, das mich sehr fasziniert, sind die deutschsprachigen Werbe-Adventures, die Anfang bis Mitte der Neunziger in beeindruckend hoher Zahl existierten. Daran, dass nicht nur Firmen, sondern sogar Politiker eine ganze Reihe solcher Gratis-Spiele veröffentlichten, um junge Leute anzusprechen, kann man erkennen, wie beliebt das Point-and-Click-Adventure-Genre zu der Zeit und gerade in unseren Gefliden war.

Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gattung zählen wohl die beiden Spiele über die Deutsche Telekom: Das Telekommando! (1993) und Das Telekommando kehrt zurück! (1995), in denen man einen Servicetechniker spielt, der allerlei spannende Abenteuer erlebt und dabei die großartigen Fähigkeiten benötigt, die er in seiner Ausbildung bei der Telekom gelernt hat. Aber das ist nur ein Beispiel von vielen: Es gab Adventures von Lebensmittelfirmen (Abenteuer Atlantis – Knorr), Banken (Crazy Circus – Sparkasse), sogar von Medikamentenherstellern (Geheimprojekt DMSO – Dolobene und Rheumabene). Und dann waren da natürlich noch die vielleicht bizzarsten Auswüchse dieser Erscheinung, nämlich die Spiele von Ministerien und politischen Parteien – der Klassiker hierbei: Captain Gysi und das Raumschiff Bonn von der PDS.

Ich möchte an dieser Stelle kurz über meinen persönlichen Lieblingstitel dieser Art sprechen, der noch dazu aus Österreich stammt und auch das einzig mir bekannte österreichische Point-and-Click-Adventure aus dieser Zeit ist. Die Rede ist von Arnie Goes 4 Gold, hergestellt im Auftrag der Bank Austria von der Firma Topjob im Jahr 1994.

Wie viele der Werbespiele findet die Story von Arnie Goes 4 Gold in einem angenehm bodenständigen Alltagssetting statt: Der Jugendliche Arnie (den raffinierten Österreichbezug im Namen bemerkt?) erbt von seinem Onkel Fritz, einem berühmten Musiker, der in Amerika Karriere gemacht hat, ein Haus, das es erst einmal zu finden gilt. Dass die Bank Austria zur Lösung der diversen Puzzles, die dabei überwunden werden müssen, eine entscheidende Rolle spielt, liegt auf der Hand: Bankomatkarte, Kontofon-Service und Mitgliedschaft im Club Austria sind unverzichtbar.

Was am stärktsten für Arnie spricht, sind nicht unbedingt die Rätsel, die solide Adventure-Standardware sind, auch nicht die Dialoge, die ein wenig unter nicht immer gelungenen Witzen, Tippfehlern und fehlenden Satzzeichen leiden, sondern die wirklich sehr hübsche und liebenswerte Comic-Grafik. Wie oft sieht man schon Pixelart im Stil Day of the Tentacle oder Leisure Suit Larry 5 angewandt auf ein Tiroler Bergdorf?

Sogar ein Real-Life-Gewinnspiel war in Arnie Goes 4 Gold enthalten: Wenn man zwei Fragen über das Adventure richtig beantworten konnte und an die Bank Austria schickte, hatte man unter anderem die Chance, ein 486er-Farb-Notebook zu gewinnen! Leider ist der Einsendeschluss mit 28. Februar 1995 schon ein Weilchen abgelaufen. Weiters konnte man sich „für weitere Informationen auf Diskette oder für eine Fortsetzung des Computer-Spiels vormerken lassen“.

Dass diese Fortsetzung nie verwirklicht wurde ist schade, waren doch gerade bei Werbe-Adventures häufig die Fortsetzungen ihren Vorgängern stark überlegen. Aber wer weiß… Wenn genug Leute die Bank Austria-Filialen Österreichs stürmen und bei den Schalterbeamten nach dem so lange angekündigten Nachfolger von Arnie Goes 4 Gold verlangen, vielleicht ist Arnies glorreiche Rückkehr ja dann schon bald Realität.

Zu finden ist Arnie Goes 4 Gold neben vielen anderen Werbe-Adventures übrigens hier.

[Andreas Dobersberger]

Von Handtüchern, Babelfischen und keinem Tee

Morgen ist Towel Day.

Was soll das heißen, „Was ist Towel Day“?! Towel Day ist natürlich der jährliche Gedenktag für Douglas Adams, Autor der bekannten Hitchhiker’s Guide To The Galaxy-Bücher, an dem seine Fans ihn dadurch ehren, dass sie den ganzen Tag ein Handtuch mit sich herumtragen.

Was soll das heißen, „Wieso ein Handtuch“?! Natürlich, weil Adams im Hitchhiker’s Guide mehrfach erwähnt hat, dass ein Handtuch der nützlichste Gegenstand im Universum ist, und dass man immer eines bei sich haben sollte. Ist doch logisch.

Was soll das heißen, „Was hat das alles mit Retro-Videospielen zu tun?!“ Ich sehe schon, ich muss hier wohl alles erklären.

The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy wurde im Laufe der Jahre in den verschiedensten Medien realisiert: Ursprünglich war die Geschichte ein BBC-Hörspiel, wurde aber am bekanntesten als Roman. Später entstand neben einem Comic, einer TV-Serie und einem Kinofilm auch ein Computerspiel. An den meisten dieser Umsetzungen war Adams persönlich beteiligt, und als Computerfreak war er an der Entwicklung des Spiels natürlich besonders interessiert.

Das war im Jahr 1984. Adams war schon seit längerem ein Fan des Entwicklers Infocom gewesen, der bereits damals für seine brillianten Textadventures (auch Interactive Fiction genannt) bekannt war, und so begann er zusammen mit Steve Meretzky (Planetfall, A Mind Forever Voyaging) die Arbeit an einer interaktiven Version der seiner Science-Fiction-Satire.

Interactive Fiction war zumindest zum damaligen Zeitpunkt wohl tatsächlich die perfekte Form für ein Hitchhiker’s Guide-Videospiel, die einzige nämlich, die den Sprachwitz und die verquere Logik auch wirklich umsetzen konnte. Klar, der einfachere Weg wäre ein Actionspiel gewesen, in dem man mit der Heart of Gold Vogonenschiffe abballert. Allerdings würde sich an solch ein Spiel heutzutage wohl niemand mehr erinnern, und auch Douglas Adams hätte wohl kaum Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. So jedoch stammt nicht nur ein Großteil des Textes von Adams selbst, auch viele der Puzzles gehen auf ihn zurück, wie zum Beispiel das berümt-berüchtigte Babelfisch-Puzzle. Die Story folgte in der ersten Hälfte weitgehend der des Buches und des Hörspiels (der Spieler übernimmt die Rolle des Engländers Arthur Dent, der zuerst sein Haus verliert und dann auch noch seinen Heimatplaneten), in der zweiten Hälfte entfernte sich das Geschehen von dem seiner Vorlagen und das Gameplay wurde stark non-linear.

Dabei spielte Hitchhiker’s Guide ständig mit den Konventionen der Form und den Erwartungen des Spielers, so hatte man etwa „no tea“ als Gegenstand im Inventar oder wurde vom Erzähler schlicht angelogen und an der Nase herumgeführt. Das war zum einen spannend, interessant und revolutionär, auf der anderen Seite machte es das Spiel natürlich nicht gerade einfach oder benutzerfreundlich. Dennoch wurde es ein großer Erfolg, sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum, und nach Zork Infocoms erfolgreichstes Spiel überhaupt.

Erwähnung finden sollten auf jeden Fall die feelies – kreative Packungsbeigaben, die bei Infocom-Titeln Standard waren. The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy beinhaltete neben den Disketten und der Gebrauchsanweisung außerdem: einen „Don‘t Panic“-Button, eine Sonnenbrille, eine mikroskopische Raumflotte, den schriftlichen Zerstörungsbefehl für Arthurs Haus, den schriftlichen Zerstörungsbefehl für die Erde, ein Stück Flaum und keinen Tee. Da bekam man eben noch etwas für sein Geld!

Das Sequel Milliways: The Restaurant At The End Of The Universe, das noch am Ende des Spiels angekündigt wurde, war zwar in Entwicklung, ist aber leider nie erschienen. Allerdings arbeitete Adams noch ein zweites Mal mit Infocom zusammen und schrieb Bureaucracy, ebenfalls ein Textadventure, das zwar nichts mit dem Hitchhiker’s Guide-Universum zu tun hatte, aber dennoch erneut ein großartiges und sehr witziges Spiel wurde.

Übrigens: Eine schöne Möglichkeit The Hitchhiker’s Guide To The Galaxy heute zu spielen, bietet sich auf der Homepage der BBC – direkt im Browser, und mit Illustrationen, Tipps und Hintergrundinfos.

[Andreas Dobersberger]

Always bet on Duke?

3D Realms, der berühmt-berüchtigte Entwickler der Vaporware-Legende Duke Nukem Forever, ist jetzt also pleite. Die Überraschung ist dabei weniger, dass es passiert ist, als dass es erst jetzt passiert ist. Welches Studio kann es sich schon leisten, in ein einziges Spiel 12 Jahre Arbeitszeit zu investieren, sicherlich mit mehreren Abbrüchen und Neustarts und somit mehrmaligem Wechsel der Hard- und Softwareumgebungen? Natürlich mit ständigem Imageschaden, denn vielmehr als der Running Gag der Videospielindustrie war 3D Realms schon lange nicht mehr.

Die Frage ist jetzt natürlich: Was passiert mit Duke Nukem Forever? Ironischerweise bekommen wir nun einen ganzen Haufen Screenshots, Models und Artwork zu sehen, sogar ein neues Gameplay-Video ist aufgetaucht. Das Projekt existiert also. Wird es ein anderer Entwickler aufgreifen oder gar neu beginnen? Oder werden wir das neue Abenteuer des Duke niemals zu sehen bekommen? Und warum sollten wir uns überhaupt noch dafür interessieren? Die letzte Frage kann ich beantworten, aber dazu müssen wir zurückblicken, auf den Vorgänger von Duke Nukem Forever: den 1996 erschienenen Shooter-Klassiker Duke Nukem 3D.

Duke Nukem 3D erschien in einer Zeit, als man das Genre im Allgemeinen noch nicht als Ego-Shooter oder FPS bezeichnete, sondern das Wort „Doom-Klon“ verwendete. Meistens zurecht, aber 1996 war in vielerlei Hinsicht ein wichtiger Wendepunkt: Duke Nukem 3D und, ein halbes Jahr später, Quake waren gewaltige Schritte vorwärts, wenn auch in zwei unterschiedliche Richtungen. Während Quake eine technische Revolution darstellte, ging Duke 3D vor allem in Sachen Inhalte und Design neue Wege.

Man könnten sagen, dass Duke Nukem 3D eine Parodie auf Ego-Shooter/Doom-Klone war, die zum ersten Mal eine erfrischende Portion Humor in das Genre brachte. Zuallererst wäre da natürlich die Hauptfigur, Duke Nukem: ein wasserstoffblonder Muskelprotz mit Sonnenbrille, der das Spielgeschehen mit witzigen One-Linern kommentiert. Diese One-Liner sind es wohl der Aspekt des Spiels, der am besten im kollektiven Gamer-Gedächtnis geblieben ist. Von „What are you waiting for? Christmas?“ bis zu „I’ll rip your head off and shit down your neck.“

Viel entscheidender war aber das Leveldesign. Statt in den immergleichen Raumstationen und Verließen fanden die meisten Levels in „realistischen“ Settings statt: Bars, Kinos, Geschäfte, Restaurants, Postämter, Stripclubs, Hotels – Orte, aus unserem täglichen Leben, die zu erforschen einfach mehr Spaß machte als die üblichen Science Fiction- und Fantasy-Szenarien. Noch dazu gab es in diesen Levels oft eine Vielzahl an Details zu entdecken, zum Beispiel benutzbare Gegenstände oder einfach nur kleine Gags und Anspielungen. Wenn man die Tür zu einer öffentlichen Toilette öffnet, dort ein feindliches Alien gerade auf der Kloschüssel sitzt, und man besagte Kloschüssel dann auch noch selbst benutzen kann, während Duke kommentiert, dann sorgt das an der Oberfläche für ein herrlich kindisches Grinsen und auf einer tieferen Ebene zu einer beträchtlichen Erhöhung der Immersion.

Außerdem waren viele der Levels teilweise recht offen gestaltet, erlaubten verschiedene Wege, geheime Abkürzungen und dergleichen. Das Videospiel-Klischee der Lüftungsschächte als Alternativrouten fand hier womöglich seinen Anfang. Und auch die berühmten scripted events, die seit Half-Life aus keinem Shooter mehr wegzudenken sind, waren hier in einer frühen Form vorhanden: Ab und zu wurde der Spieler von Erdbeben und Explosionen überrascht, die beispielsweise Wände zum Einsturz brachten und neue Wege eröffneten.

Ich habe mich sehr auf Duke Nukem Forever gefreut, weil ein Spiel in dieser Art momentan einfach sehr gut tun würde, zwischen all den Halos, Killzones und Call of Dutys. Allerdings hat mich das, was bisher an Gameplay gezeigt wurde, etwas enttäuscht. Dukes Sprüche und Persönlichkeit waren zwar vorhanden, aber das Leveldesign sah erschreckend uninspiriert aus; von wenigen Ausnahmen abgesehen waren es die gleichen grau-braunen Korridore wie in den erwähnten 08/15-Titeln. Wenn ich da an den farbenfrohen E3-Trailer von 2001 denke… Aber vielleicht haben ja seit Duke Nukem 3D nicht nur viele Gamer vergessen, was das Spiel ausgezeichnet hat, sondern auch die Entwickler selbst. Immerhin ist es verdammt lange her.

[Andreas Dobersberger]

Takeshi Kitano’s about to make you his bitch

Der japanische Künstler Takeshi Kitano ist den meisten wohl als Filmregisseur (Hana-bi, Kikujiros Sommer, Dolls) und Erfinder der TV-Show Takeshi’s Castle bekannt. Dass er im Jahr 1986 zusammen mit der Firma Taito auch ein Spiel für das Nintendo Famicom entwickelt hat, wissen hingegen die wenigsten. Es trägt den Namen Takeshi no chousenjou („Takeshis Herausforderung“) und dürfte wohl eines der bizarrsten Spiele sein, die je programmiert wurden.

Die Sache ist nämlich die: Takeshi Kitano hasst Videospiele. (Zumindest tat er das vor 23 Jahren.) Sein Ziel war nicht, ein unterhaltsames, spaßiges Produkt abzuliefern, sondern vielmehr, die Idee des Videospiels zu dekonstruieren und als sinnlose Zeitverschwendung zu entlarven. Zusätzlich waren angeblich viele seiner Gameplay-Ideen das Ergebnis von ausgiebigem Sake-Genuss…

In Takeshi no chousenjou übernimmt man die Rolle von Takeshi Kitano höchstpersönlich, der gerade von seinem Job gefeuert wurde und nun einen Schatz finden will, um an Geld zu kommen. Es handelt sich um ein seitlich scrollendes Action-Adventure in einem Gegenwartsszenario. Um voranzukommen muss man unter anderem Leute verprügeln, sich betrinken, sich von seiner Frau scheiden lassen und wiederholt Karaoke singen (über das im Controller eingebaute Mikrofon des Famicom). Besonders berüchtigt ist das Rätsel um die Schatzkarte: Wenn man sie erhält, ist sie anscheinend nur ein leeres Blatt Papier. Um die Schrift darauf sichtbar zu machen, muss man sie eine Stunde in die Sonne halten. Und gemeint ist tatsächlich eine Real-Life-Stunde, in der man nichts weiter machen darf, als zu warten. Drückt man in der Zeit einen Controller-Button, wird man beschimpft, verliert die Karte und muss weiter Karaoke singen.

Weiß man schließlich, wo sich der Schatz befindet, folgt ein klassischer, horizontaler Shoot-em-up-Level. Soweit nichts besonderes, aber der Haken ist, dass man zwar nach unten, links und rechts, aber nicht nach oben steuern kann, was die Sache natürlich bis ins Unermessliche erschwert, weil man sich seine beschränkten Abwärtsbewegungen bevor man ins Meer stürzt dadurch exakt einteilen muss. Hat man den Schatz am Ende des Spiels endlich gefunden, folgt das epische Finale: Der Bildschirm wird schwarz, Takeshis Kopf taucht auf und verkündet: „Großartig!“ Wartet man fünf Minuten, meldet er sich noch ein letztes Mal: „Warum nimmst du dieses Spiel so ernst?“

Das ist Takeshi no chousenjou – eine hämische Verarschung von Videospiel-Nerds. Und trotzdem – oder gerade deswegen – genießt es natürlich Kultstatus in Japan, als besonders interessantes Exemplar eines, wie die Japaner so schön sagen, kusoge („Scheißspiel“). Interessant deshalb, weil hier vielleicht zum ersten Mal jemand ein bodenlos schlechtes Videospiel programmiert hat, nicht weil er es nicht besser kann, sondern weil er damit etwas ausdrücken will. Message über Unterhaltungswert – damit ist Takeshi no chousenjou wohl das einzige art game auf dem Famicom.

Wer das Spiel in Aktion sehen will, dem sei unbedingt Episode Eins der herrlichen japanischen Videospielshow Game Center CX empfohlen, amüsante Hintergrundinfos inklusive:

Teil 1
Teil 2

[Andreas Dobersberger]

Where no man has gone before

Ein neuer Star Trek-Film steht vor der Tür, und so wird momentan naturgemäß viel zurückgeblickt auf die Geschichte des Franchise. Videospiele sind ein großer Teil davon – die schiere Anzahl an Star Trek-basierten Spielen wurde mir selbst erst in den letzten Tagen bewusst, was auch damit zu tun haben könnte, dass die Star Trek-Lizenz in der Videospielwelt lange als eine Art Fluch galt, geradezu ein Hindernis für Qualität. Aber vielleicht ist diese Perspektive etwas ungerecht. Zum einen sind Lizenzspiele allgemein selten gut, zum anderen zieht man womöglich unbewusst die Star Wars-Spiele zum Vergleich heran, die in der glücklichen Position sind, Eigentum von Lucasfilm und damit LucasArts zu sein, einem der renommiertesten Softwarehäuser überhaupt (zumindest in der Vergangenheit).

Ich selbst habe nur einen Bruchteil der Star Trek-Videospiele gespielt, und kann deshalb schwer einen guten allgemeinen Überblick geben – deshalb ziehe ich es wieder einmal vor, aus meiner persönlichen Erfahrung zu schöpfen, und die nicht mehr als fünf Star Trek-Titel vorzustellen, die mir im Laufe meiner Gamer-Karriere über den Weg gelaufen sind.

Star Trek: 25th Anniversary (PC, Interplay, 1992)

Viele Star Trek-Spiele gehören dem Actiongenre an, was paradox ist, war die Stimme von Star Trek doch immer eher eine der Vernunft, der Diplomatie, der Toleranz, des kühlen Kopfes und der klugen Ideen. So gesehen verkörpern 25th Anniversary und dessen Nachfolger Judgment Rites vielleicht am besten die Essenz des Vorbilds. Es handelt sich um Grafikadventures nach LucasArts/Sierra-Vorbild, basierend auf der Original-Serie. Mit Kirk, Spock und Co. besucht man fremde Planeten und Raumstationen, unterhält sich mit anderen Spezies und löst Rätsel. Zwischendurch gibt es auch hin und wieder eine Raumschlacht (in Judgment Rites komplett optional). Die episodenhafte Struktur und die Originalstimmen der Schauspieler in der CD-ROM-Version tragen ebenfalls ihren Teil zur originalgetreuen Atmosphäre bei. Interessant auch das Missionsdesign: Oftmals gibt es verschiedene Lösungswege, und je nachdem, wie gut man sich geschlagen hat, bekommt man vom Sternenflottenkommando eine Bewertung, die zu verschiedenen Endsequenzen führen kann.

Sehr weit habe ich damals zugegebenermaßen nicht gespielt, aber ich muss sagen, wenn ich jetzt so drüber schreibe, bekomme ich glatt Lust, das Spiel nochmal auszupacken…

Star Trek: Generations (PC, Microprose, 1997)

Dieses Spiel hat aus zwei Gründen eine besondere Bedeutung für mich: Zum einen basiert es auf dem siebten Star Trek-Film, der mich damals zum Trekkie gemacht hat. Zum anderen war es mein erstes eigenes FPS-artiges Spiel, also mit Ego-Perspektive und scrollender 3D-Grafik. Zwar war Generations mehr ein Action-Adventure als ein Shooter, aber es ging vor allem um die neuartige, immersive Erfahrung.

Aus diesen beiden Gründen habe ich sehr viel Zeit mit dem Spiel verbracht und war äußerst fasziniert davon, auch wenn es gleichzeitig ungeheuer frustrierend war. Die hin und wieder vorkommenden Abstürze hätte ich noch verkraftet, aber das Schlimme war: Man konnte in den teilweise richtig langen und schwierigen Außenmissionen nicht speichern. Von diesem großen Manko abgesehen ist mir Generations jedoch als recht gutes Spiel in Erinnerung. Neben den Action-Adventure-artigen Außenmissionen gab es strategische Weltraumschlachten, und der Storyverlauf gestaltete sich teilweise dynamisch und non-linear.

Star Trek: The Next Generation: Klingon Honor Guard (PC, Microprose, 1998)

Anders als Generations ist Klingon Honor Guard ein waschechter First-Person-Shooter, basierend auf der Unreal-Engine, und in einem Klingonen-Szenario, inklusive Bat’Leth und klingonischem Disruptorgewehr. Relativ durchschnittlich in den meisten Belangen, spielte es für mich vor allem deshalb eine große Rolle, weil es Bots im Multiplayer-Modus erlaubte, und da ich keinen Internetzugang besaß, war das für mich die erste Multiplayer-artige Erfahrung mit einem Shooter. Ich glaube, ich habe ingesamt mehr Zeit im Pseudo-Multiplayer verbracht, als im Single-Player-Modus, was allerdings auch daran liegen könnte, dass letzterer nicht besonders gut war.

Star Trek: Armada (PC, Activision/Mad Doc Software, 2000)

Hierbei handelt es sich um ein Echtzeitstrategie-Spiel, bei dem man die Rolle der Föderation, der Klingonen, der Romulaner und der Borg übernehmen konnte. Und ich muss sagen, für ein Echtzeitstrategie-Spiel war es ziemlich spaßig und wirklich kein schlechtes Spiel. Allerdings wüsste ich nicht, was man noch großartig dazu sagen sollte. Diese Art von Spielen hinterlässt bei mir höchst selten einen großen Eindruck. Einfach nicht mein Genre.

Star Trek: Voyager – Elite Force (PC, Raven Software, 2000)

Von den Star Trek-Spielen, die ich kenne, ist Elite Force wohl das beste – ein hervorragender First-Person-Shooter, basierend auf der Quake III-Engine und stark skriptbasiert. Die größte Stärke von Elite Force ist, wie perfekt es die Atmosphäre der Vorbild-Serie einfängt. Wenn ich mit Tuvok oder Seven of Nine auf einer Außenmission bin oder von Captain Janeway auf die Brücke zitiert werde, dann fühle ich mich dank authentischer Grafik, originalgetreuem Sound und dem raffinierten Einsatz von Scripted Events wie mitten in einer Folge von Voyager. Aber auch abgesehen davon stimmt so ziemlich alles. Wenn ich ein Star Trek-Spiel empfehlen müsste, dieses wäre es. Erwähnenswert ist auch das Expansion Pack, das es dem Spieler erlaubt, die Voyager frei zu erkunden.

[Andreas Dobersberger]

Der Game Boy und ich

Vor ein paar Tagen ist der gute alte Game Boy 20 Jahre alt geworden. Auch wenn ich nie ein besonders inniges Verhältnis zu Nintendos Ziegelstein hatte (meine erste eigene Handheldkonsole war der DS Lite), so gibt es ja vielleicht doch ein paar Erinnerungen, die es wert sind, sie zu teilen.

Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, war mein größter Wunsch einen Game Boy zu besitzen. Zum einen war ich schon damals ein großer Videospiel-Fan und zum anderen hatte so ziemlich jeder meine Freunde Nintendos Handheldkonsole zu Hause. Jedes Mal, wenn ich bei einem von ihnen auf Besuch war, spielte ich Game Boy-Spiele, vor allem Super Mario Land und Teenage Mutant Ninja Turtles: Fall of the Foot Clan – die Spiele, die wirklich jeder zu besitzen schien (neben Tetris natürlich, das mich aber nie besonders reizte). Dass ich ein Sega-Kind war, machte den Game Boy nur noch „exotischer“ und aufregender. Aber meine Eltern haben mir nie einen Game Boy gekauft bzw. erlaubt. Nicht, weil sie Videospiele grundsätzlich abgelehnt hätten, sondern weil sie gesehen haben, wie vollkommen besessen ich bereits vom Atari ST, Sega Master System und Sega Mega Drive war – bei welchen sie jedoch genau regeln und kontrollieren konnten, wie viel ich darauf spiele, was bei einem Game Boy ungleich schwieriger gewesen wäre. So blieb er mir also verwehrt.

Ein paar Jahre später folgte eine für größere Geschwister wohl recht klassische Erfahrung: Mein kleiner Bruder wünschte sich einen Game Boy Color und bekam ihn prompt zu Weihnachten. Einfach so. Ganz ohne die jahrelangen Flehereien und Betteleien, die ich vergebens durchgemacht hatte… Wie dem auch sei, auf dem Game Boy Color fallen mir vor allem drei Spiele ein, die ich damals recht ausgiebig gespielt habe: Zum einen wäre da eine Version von Grand Theft Auto (die ich, wie mir gerade einfällt, in meinem „GTA-Erinnerungen“-Artikel von vor ein paar Wochen sträflich unterschlagen habe – Schande über mich); ich weiß noch genau, wie ich an meinem Schreibtisch sitze, den Game Boy Color unter die grell scheinende Schreibtischlampe haltend, um etwas erkennen zu können. Dann gab es da einen erstaunlich adäquaten Port von Donkey Kong Country, bei dem mir aber irgendwann der Schwierigkeitsgrad zu hoch wurde. Das dritte Spiel war Pokemon: Blaue Edition. Gegen Pokemon hatte ich mich lange gewehrt, weil ich die ganze Marketing-Maschinerie drum herum als ungeheuer zynisch und nervig empfand, aber da mein Bruder so versessen darauf war, habe ich mich nun einmal auch hingesetzt, und entdeckt, dass es sich im Grunde um ein ziemlich gutes RPG handelt. Ich glaube sogar, dass ich es bis zum Ende durchgespielt habe.

Als schließlich der Game Boy Advance herauskam, bekam mein Bruder auch diesen geschenkt, und obwohl ich ein paar Mal darauf gespielt habe, war ich eigentlich vorwiegend entsetzt: Das Display war noch dunkler als bei den Vorgängern, und ich empfinde es bis heute als Frechheit, dass Nintendo sich überhaupt getraut hat, diesen Dreck zu verkaufen, nur um kurze Zeit später mit dem Game Boy Advance SP herauszurücken, der endlich, endlich, endlich über ein (wenn auch nur von der Seite) beleuchtetes Display verfügte.

Erst vor relativ kurzer Zeit habe ich begonnen, mir wirklich einen Überblick über die Schätze der Game Boy-Bibliothek zu verschaffen. Über den Game Boy Advance muss ich da nicht viel sagen; seit ich dessen Spiele in schönen, kräftigen Farben auf meinem DS spielen kann, weiß ich ihn wirklich zu schätzen – keine andere Handheldkonsole hat so eine breitgefächerte Auswahl an hochqualitativen Titeln, nicht einmal der DS. Und auch was den Game Boy und Game Boy Color betrifft, gibt es wirklich großartige Spiele, die oft vergessen oder übersehen werden; nicht nur nette Zeitvertreiber für Zwischendurch, sondern richtige kleine Meisterwerke. Ich behaupte, dass Metal Gear: Ghost Babel mehr Spaß macht als Metal Gear Solid für die PlayStation, und dass The Legend of Zelda: Link’s Awakening das vielleicht beste Zelda-Spiel aller Zeiten ist. Und Wario Land 2 könnte es sowieso locker in die Top 10 meiner Lieblingsspiele schaffen.

[Andreas Dobersberger]

Die Briten und ihr „Speccy“

Für die Briten ist der Sinclair ZX Spectrum (Spitzname „Speccy“) ein Nationalheiligtum. Als einer der ersten leistbaren Heimcomputer bot er 1982 so manchem die ersten Videospiel- und Programmiererfahrungen und hat noch heute einen festen, nostalgischen Platz in den Herzen der britischen Spielergemeinde. Im deutschen Sprachraum ist dieser Platz meist dem Commodore 64 vorbehalten – auf der Insel konnte sich dieser nur schwer und erst relativ spät gegen den Spectrum durchsetzen. Und wer glaubt, ich würde mit dem Wort „Nationalheiligtum“ übertreiben: 1983 überreichte Margaret Thatcher dem japanischen Premierminister als Symbol für Großbritanniens technologisches Können höchstpersönlich einen Spectrum, und im selben Jahr wurde sein Erfinder Clive Sinclair zum Ritter geschlagen.

Hier ein paar technische Eckdaten, nur um eine Perspektive auf die damaligen Verhältnisse zu bekommen: Das erste Modell des Spectrum war mit einem 3.5 Mhz-Prozessor ausgestattet und verfügte wahlweise über 16 oder 48 Kilobyte RAM. Die Bildauflösung betrug 256×192 bei 15 Farben. Hatte man sich einen Spectrum zugelegt brauchte man noch Fernsehgerät und einen Kassettenrekorder – das Fernsehgerät, weil Computermonitore einfach noch nicht selbstverständlich waren und den Kassettenrekorder, weil als Standarddatenträger Audiokassetten dienten. Einschlägigen Magazinen wie Your Spectrum (später Your Sinclair), Sinclair User und CRASH lagen oftmals Programme und Spiele bei, allerdings nicht etwa in Kassetten- oder Diskettenform, sondern in Form von Codelistings in BASIC, die abgetippt und dann selbst gespeichert werden mussten.

Wie sah es nun an der Spielefront aus? Selbstverständlich gibt es eine Menge an kanonisierten Speccy-Klassikern, die es allerdings höchst selten ins allgemein-kollektive Gamer-Gedächtnis geschafft haben – am ehesten dann, wenn sie auch auf mehreren anderen Systemen veröffentlicht wurden, wie etwa Codemasters‘ Dizzy-Reihe oder Melbourne Houses Textadventure-Umsetzung von The Hobbit. Zu weiteren Spectrum-Klassikern zählen beispielsweise die Jump-and-Runs Magic Miner und Jet Set Willy, die Rebelstar-Reihe (rundenbasierte Taktikspiele von Julian Gollop, späterer Designer der X-COM-Serie) oder die augenzwinkernde Schulsimulation Skool Daze, möglicherweise das Vorbild für Rockstars Bully.

Das Genre allerdings, das mit dem Spectrum wie kein anderes verbunden ist, ist jenes der isometrischen Action-Adventures. In diesen Spielen steuert man seine Spielfigur durch isometrisch dargestellte Räume, in denen man Gegner überwinden und verschiedenste Geschicklichkeits- und Rätselaufgaben lösen muss. Die isometrische Perspektive war eine clevere Methode, mit recht einfachen technischen Mitteln eine dreidimensionale Spielwelt zu erschaffen. Das erste Spiel dieser Art und damit ungeheuer einflussreich war Knight Lore von Ultimate Play The Game aus dem Jahr 1984. Dabei sollte man sich nicht vom recht dämlich klingenden Entwicklernamen täuschen lassen; hinter Ultimate Play The Game verbirgt sich nämlich die Firma, die später ihren Namen in Rareware bzw. Rare ändern und Titel wie Battletoads, Donkey Kong Country, GoldenEye 007, Banjo-Kazooie, Conker’s Bad Fur Day und Viva Pinata veröffentlichen sollte.

Das Rezept von Knight Lore wurde nicht nur auf dem Spectrum unzählige Male kopiert (z.B. in Head Over Heels, von dem es ein wunderschönes Freeware-Remake gibt – Empfehlung!), sondern lebte praktisch bis in die Mitte der Neunziger Jahre hinein weiter, als es mit der Etablierung von 3D-Polygon-Grafik größtenteils obsolet wurde. Interessante Variationen des Prinzips finden sich unter anderem in Cadaver (1990), D/Generation (1991) und Mystic Towers (1994).

Spectrum-Spiele heute zu spielen ist übrigens nicht schwer: Es gibt eine Vielzahl an Emulatoren für verschiedenste Systeme (auch als Facebook-Applications). Eine extensive Datenbank an Informationen, Dokumentationen, Emulatoren und ROMs findet sich auf http://www.worldofspectrum.org/. Nur nicht vergessen dabei eine Tasse Earl Grey zu trinken, God Save The Queen zu pfeifen und zwischendurch „Bloody ‚ell!“ zu rufen.

[Andreas Dobersberger]

Warum die Mitte der Neunziger eine schreckliche Zeit für Videospiele war

Die Mitte der Neunziger Jahre, und damit meine ich grob die Zeitspanne von 1994 bis 1996, ist videospielhistorisch betrachtet eine wichtige Umbruchszeit, und es gibt Spieler, die sie als Lieblingsperiode oder gar Goldenes Zeitalter ihres Hobbys bezeichnen. Ich persönlich konnte diese Einstellung nie teilen. Für mich sind die Mitte der Neunziger ein düsteres Zeitalter für Videospiele, voller Verirrungen, blödsinniger Ideen und nerviger „Trends“. Klar, es war nicht alles schlecht – das Super Nintendo beispielsweise spuckte um die Zeit viele seiner besten Titel aus (Super Metroid, Chrono Trigger, Earthbound, Yoshi’s Island etc.) – aber insgesamt bin ich einfach froh, diese Zeit überwunden zu haben. Hier sind ein paar Gründe:

– Der Markt war überflutet mit schlechten, teilweise überteuerten Konsolen. Ich meine, kann irgendjemand drei gute Exklusiv-Titel für das 3DO nennen? Ich bezweifle es, aber seine Entwickler waren selbstbewusst genug, beim US-Launch $699,95 (!) zu verlangen. Da soll noch jemand behaupten, die PS3 wäre überteuert. Daneben gab es „Prachtstücke“ wie Phillips CD-i, Atari Jaguar, Amiga CD32, Sega Saturn und nicht zu vergessen Nintendo’s Virtual Boy.

– CD-ROMs waren das neue große Ding, was in der Praxis bedeutete: schlechte FMV-Games (auch genannt „Interactive Movies“). Die Mitte der Neunziger waren eine Zeit, in der man allen Ernstes glaubte, FMV-Games seien die Zukunft. FMV steht für „Full Motion Video“ in bedeutete in der Praxis verpixelte Filmsequenzen, meistens auf Briefmarkengröße, mit entsetzlichen Schauspielern und verblödeten Spielkonzepten. Der Minderwertigkeitskomplex der Spieleindustrie gegenüber der Filmindustrie nahm hier seine furchterregendsten und groteskesten Formen an. Für eine Kostprobe sei dieses Video empfohlen.

– Was tatsächlich die Zukunft darstellte, war natürlich 3D-Polygon-Grafik. Mitte der Neunziger begann die Phase, in der sich nichts verkauft, wenn es nicht 3D ist, egal wie scheiße das „3D“ aussieht oder sich steuern lässt – von dieser Entwicklung haben wir uns erst seit ein paar Jahren wieder halbwegs erholt. Das Problem zu der Zeit war, dass die Technik einfach noch nicht weit genug war. Man kann heute kein frühes PlayStation-Spiel mehr anwerfen ohne sich zu übergeben. Damals waren alle beeindruckt, aber rückblickend ist die Playstation in etwa so gut gealtert wie das Atari 2600. Abgesehen eben von ihren 2D-Titeln: Castlevania: Symphony of the Night sieht auch heute noch absolut fantastisch aus.

– Zwei der im Grunde großartigsten Computerspielgenres, namentlich Adventures und westliche Rollenspiele, starben einen qualvollen Tod. Was die Rollenspiele betrifft, war es nicht so dramatisch, da sie recht schnell wiederauferstanden, aber Adventures haben sich nie mehr richtig erholt. Die Kids wollten pfeilschnelle 3D-Grafik, keine gemächlichen Point-and-Click-Geschichten. Ausnahme war bekanntlich Myst, eines der wenigen Beispiele, in denen FMV halbwegs geschickt eingesetzt wurde. Nur war Myst eher ein eigenes Genre als ein Point-and-Click-Adventure, nämlich eines, das spannende Handlung, interessante Figuren und gewitzte Dialoge durch stumpfsinnige Schalterrätsel ersetzte. Weitere Genres, die unglaubliche Siegeszüge begannen, waren Echtzeitstrategie (Command & Conquer) und das „Action-Adventure“ vom Tomb Raider-Schlag. Gähn.

– Multiplayermodi über LAN und Internet waren plötzlich der wichtigste Aspekt eines jeden PC-Spiels. Vorbei war die schöne Zeit, als man mit Freunden oder Geschwistern vor dem Computer saß, jetzt war es wichtiger mit einem Arbeitskollegen fünf Büros weiter oder mit einer völlig fremden Person in Korea zu spielen.

Und das sind nur einige der Gründe, warum ich an die Mitte der Neunziger in Hinsicht auf Videospiele nur mit Schaudern zurückdenke. Natürlich, heute haben wir ganz andere Probleme, aber insgesamt geht es uns doch besser, und dafür sollten wir dankbar sein. In diesem Sinne, Frohe Ostern.

[Andreas Dobersberger]

Yar’s Revenge: Howard Scott Warshaws Meisterstück

Wann immer ich eine Liste meiner, sagen wir, 25 liebsten Videospiele aller Zeiten erstelle, ist dem Atari 2600-Klassiker Yar’s Revenge aus dem Jahr 1981 ein Platz darauf sicher, obwohl er sich von den meisten anderen Spielen auf der Liste doch ziemlich stark unterscheidet. Normalerweise lege ich Wert auf elaborierte Stories und komplexe Spielwelten, auf gut geschriebene Dialoge, ausgefeiltes Leveldesign, auf die Möglichkeit kreativ zu sein und Dinge erforschen und entdecken zu können. Yar’s Revenge hingegen ist ein recht simpler One-Screen-Shooter im Arcade-Stil – die Art von Spielen, mit denen ich normalerweise nicht viel mehr mache, als Zeit totzuschlagen.

Aber die Sache ist, Yar’s Revenge ist anders. Das wusste ich schon, als ich es zum ersten Mal gestartet habe. Das visuelle Layout wirkt vom ersten Augenblick an ikonisch und einzigartig, und das Sounddesign hat eine unheimliche, hypnotische Wirkung. Atmosphärisch habe ich mich an einen James Cameron-artigen SciFi-Horror-Film erinnert gefühlt – und das mit den unglaublich primitiven technischen Mitteln der Atari 2600-Konsole.

Die nächste Überraschung für mich war, wie schlau das Gamedesign ausgefallen ist. Simpel, aber für Shooter-Verhätnisse doch relativ komplex zugleich, und zudem interessant und originell. Man steuert ein kleines Insekt über den Bildschirm, das eine bewegliche Festung auf dessen rechten Seite durchdringen und den dahinterliegenden Feind vernichten muss, was nur mit einer Rakete möglich ist, die per Knopfdruck vom linken Rand aus abgeschossen wird. Gleichzeitig wird man die ganze Zeit über von einer Drohne verfolgt, vor der man nur in einem schmalen Kraftfeld in der linken Bildschirmhälfte Schutz finden kann. Zusätzlich verwandelt sich der Feind hinter der Festung ab und zu in einen Strudel, der auf den Spieler zuschießt.

Ja, es ist schwierig zu erklären, aber sobald man spielt, ergibt alles einen genialen, süchtigmachenden Sinn. Und das Beste: Wenn man den Feind mit der Kanone trifft (was immer wieder ungeheuer befriedigend ist, vor allem wenn er gerade im Begriff war in Strudelform auf einen zuzurasen) und damit den Level beendet, gibt es eine laute, farbenfrohe Explosion, die sich über den gesamten Bildschirm erstreckt und jedes mal wieder für ein massives Triumphgefühl beim Spieler sorgt. Hinzu kommen einfach diverse kleine Feinheiten im Gameplay, wie die Tatsache, dass man im Kraftfeld zwar vor der Drohne geschützt ist, aber nicht schießen kann; oder dass man sich mit der Kanone vom linken Bildschirmrand selbst treffen kann, wenn man unachtsam und hektisch ist. Jedes Element ist sorgfältig durchdacht und ergibt im Zusammenspiel mit den anderen Elementen einen ausgewogenes, reizvolles Ganzes. Das ist gutes Design, was umso bemerkenswerter ist, als vergleichbare Spiele auf der Konsole zumeist nicht über „Schieß alles ab ohne getroffen zu werden“ hinausgingen.

Bemerkenswert ist auch noch etwas anderes: Nämlich die Tatsache, dass der Designer von Yar’s Revenge niemand anderer ist als Howard Scott Warshaw – der Mann, dessen bekanntestes Spiel traurigerweise das berühmt-berüchtigte E.T. (ebenfalls für das Atari 2600) ist, welches oft als eines der schlechtesten Spiele aller Zeiten genannt wird und manchmal gar fälschlicherweise als Grund für den Crash der nordamerikanischen Videospielindustrie im Jahr 1983 verantwortlich gemacht wird. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Warshaw für die Qualität von E.T. nur begrenzt verantwortlich gemacht werden kann; angesichts der Tatsache, dass er für das Spiel gerade einmal fünf Wochen Zeit hatte (zum Vergleich: Yar’s Revenge war sechs Monate in Entwicklung), weil seine Chefs unbedingt noch im Weihnachtsgeschäft abkassieren wollten, muss man ihm eigentlich fast schon wieder Respekt für seine Leistung entgegenbringen.

Vielleicht sollte man es einfach so sehen wie Warshaw selbst: „E.T. is almost always in the ‚Worst Games of All Time‘ lists, and Yar’s Revenge is almost always in the ‚Best Games of All Time‘ lists, so the way I figure it is, I have the greatest range of any designer in history!“

[Andreas Dobersberger]

The Nameless Mod: Deus Ex Reloaded

Kinder, wie die Zeit vergeht. Rein intuitiv widerstrebt es mir fast, über Deus Ex in der Retro-Rubrik zu schreiben; aber sobald ich einen Augenblick nachdenke, wird mir klar, dass das Erscheinen von Ion Storms revolutionärem, genreübergreifendem Werk doch schon wieder fast zehn Jahre her ist.

In diesen zehn Jahren produzierte die Fan-Community eine Handvoll sehr spielenswerter Singleplayer-Modifikationen wie Zodiac und Burden of 80 Proof, aber keine davon war so ambitioniert wie The Nameless Mod. Sieben Jahre war sie in Entwicklung, seit kurzem ist sie nun endlich erschienen.

Die Fakten allein sind beeindruckend: 15-20 Stunden Spielzeit, fünf verschiedene Endsequenzen, 200.000 Dialogzeilen, 14 Stunden Sprachausgabe. Und auch sonst kann ich als langjähriger Deus Ex-Fan bestätigen: Diese Mod ist grandios. Ich habe sie zugegebenermaßen noch nicht ganz durchgespielt, aber aber genug Zeit damit verbracht, um dieses Urteil ohne große Bedenken fällen zu können.

Die Prämisse klingt zunächst etwas abschreckend: Im Wesentlichen ist The Nameless Mod Forum-Fanfiction. Spielort ist eine virtuelle Stadt namens Forum City, in der sich die Deus Ex-Online-Community in Organisationen und Personen manifestiert. Die Hauptprotagonisten sind allesamt nach den tatsächlichen Programmierern der Mod benannt, Fanseiten wie PlanetDeusEx.com ersetzen Vereinigungen wie die UNATCO im Originalspiel. Ja, es klingt wie ein pubertärer Insiderschmäh. Die Umsetzung jedoch überzeugt rasch vom Gegenteil: Das Spiel ist gut genug designt, dass man keinerlei Vorwissen braucht, und das Konzept entpuppt sich mit der Zeit als reizvolles Meta-Szenario, das einen durchaus interessanten Blick auf Internet-Fankultur eröffnet.

In Gameplay-Hinsicht ist The Nameless Mod sogar noch eine Ecke offener und nonlinearer als Deus Ex. Forum City ist eine große Stadt mit verschiedenen Fraktionen, für die man Aufträge übernehmen kann, wodurch sich die Handlung in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe Sidequests und allgemein vieles zu entdecken und erforschen. Der Schwierigkeitsgrad richtet sich in seiner Grundeinstellung zwar eher an Deus Ex-Veteranen, ist aber erstaunlich detailliert konfigurierbar, bis hin zur Häufigkeit von Items und Gegnern.

Einer der Höhepunkte des ehrgeizigen Projekts ist mit Sicherheit die Sprachausgabe. Nicht nur sind alle Dialoge komplett vertont, sie sind es noch dazu auf professionellem Niveau. Mit der Musik verhält es sich ähnlich: Sie ist komplett neu, könnte aber ohne weiteres aus dem Originalspiel stammen. Visuell ist die Mod Deus Ex gar deutlich überlegen, was einerseits an teilweise höher aufgelösten Texturen liegt, aber vor allem daran, dass man hier nicht die gesamte Innenarchitektur des Spiels ausschließlich in der Farbe Grau gestaltet hat.

Das größte Problem von The Nameless Mod ist, dass es zumindest bei seinem Erscheinen noch relativ verbuggt war. Es ist jedoch schon wenige Tage später ein Patch erschienen, der nicht nur eine große Anzahl an Bugs beseitigt, sondern gleich auch noch die Balance einiger Missionen verbessert. Und noch immer sind die Entwickler fleißig dabei Feedback zu sammeln, man darf also auf weitere Verbesserungen hoffen.

Die Mod ist hier herunterzuladen: http://www.thenamelessmod.com/

[Andreas Dobersberger]